: Königreich ohne Sprit
In Großbritannien geht durch die LKW-Blockaden das Benzin aus. Jetzt sollen mit Notverordnungen Benzinlieferungen garantiert werden
DUBLIN taz ■ Die britische Königin Elisabeth II. hat gestern ein Notstandsgesetz unterzeichnet, das es der Regierung gestattet, Kontingentpläne für das immer knapper werdende Benzin aufzustellen. Damit will man garantieren, dass Krankenwagen, Feuerwehr und öffentliche Transportmittel versorgt werden.
Tausende von Tankstellen mussten gestern schließen, weil die meisten Raffinerien und Benzindepots von Spediteuren, Bauern und Taxifahrern aus Protest gegen die hohen Benzinpreise blockiert werden. Die Kliniken schicken Ambulanzen nur noch bei akuten Notfällen, in weiten Teilen Großbritanniens gehen die Blutkonserven zur Neige, weil kein Nachschub geliefert werden kann. Die meisten Ärzte haben Hausbesuche eingestellt.
Lediglich in Südost-England und Nordschottland reicht der Spritvorrat noch bis morgen. Dort verlangen manche Tankstellen 2,50 Pfund für den Liter Benzin. Durch die Panikkäufe, ein „sehr unbritisches militantes Verhalten“, wie der Independent gestern rügte, hat sich die Lage noch verschärft. Der Protest begann vorigen Donnerstag eher unbeachtet vor der Shell-Raffinerie Stanlow bei Liverpool. Seit dem Wochenende sind fünf weitere Raffinerien blockiert, hinzu kommen Verkehrsstaus auf vielen Hauptverbindungsstraßen durch langsam fahrende LKW-Konvois.
Premierminister Tony Blair hat inzwischen seine Reise durch Yorkshire abgebrochen, um mit seinem Kabinett über die größte innenpolitische Krise seit seinem Amtsantritt vor dreieinhalb Jahren zu beraten.
Eine Senkung der Benzinsteuer, die mit den Protesten erzwungen werden soll, lehnt er jedoch weiterhin ab. Bill Morris, Vorsitzender der Transportarbeitergewerkschaft, sagte, die Demonstranten haben „die Linie zwischen Demokratie und Anarchie“ überschritten. Prescott macht hingegen die Ölfirmen für die Krise verantwortlich: Sie seien verpflichtet, sagte er, ihr Benzin auszuliefern. Sowohl Shell als auch TotalFinaElf erklärten jedoch, sie wollen die Fahrer der Tanklastzüge nicht in Gefahr bringen.
Regierung und Polizeiführung berieten gestern über die weitere Vorgehensweise. Blair erwartet von der Polizei, dass sie gegen die Demonstranten durchgreift. John Evans, der Vorsitzende des Polizeiverbands, sagte gestern nach seiner Unterredung mit dem Premierminister: „Unser Ziel ist es, den Tanklastzügen die Straße frei zu machen. Wenn das verhindert wird und Leute das Gesetz brechen, dann muss man gegen diese Leute vorgehen.“ RALF SOTSCHECK
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