piwik no script img

Gewohnt präzis

■ Hamburger Musikfest wurde eröffnet

Verregneter Auftakt, verhaltene Eröffnung, grandiose Fortsetzung: Das waren die ersten Aufführungen beim Hamburger Musikfest, das in dieser Woche stattfindet. Im Mittelpunkt stehen – wie könnte es bei Organisator Ingo Metzmacher anders sein – Werke des 20. Jahrhunderts.

Das eröffnende Open-Air-Spektakel am Samstagnachmittag wurde leider durch heftige Niederschläge beeinträchtigt. Auf sieben Dampfern spielten Blaskapellen auf der Binnenalster vor dem Jungfernstieg unterschiedliche Melodien. Rund eine halbe Stunde lang fuhren die Schiffe um die große Fontäne auf dem Hamburger Binnengewässer herum und luden die Passanten zum Spaziergang durch Klangwolken ein.

Am Abend folgte das Kronos-Quartett. Zwar spielten die vier MusikerInnen recht routiniert Werke von Steve Reich, Terry Riley, Rahul Dev Burmann oder Hyoshin Na. Wie man es von den Vieren gewohnt ist, überraschten sie mit ungewöhnlichen Einlagen und Arrangements. Doch die begleitenden Lichtinstallationen waren ebenso irritierend, wie die Playback-Einspielungen von Schlagzeugen und Klischee-Tablas zu indischer Filmmusik von Foday Musa Suso störend.

Am gestrigen Sonntagmorgen zeigte der Meister dann persönlich, wie es besser geht. Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher hatte geladen, um den HamburgerInnen ein selten gespieltes Stück nahe zu bringen. Neben dem Adagio und Purgatorio aus Gustav Mahlers fragmentarischer 10. Sinfonie stand Bernd Alois Zimmermanns Requiem für einen jungen Dichter auf dem Programm. Das aufwendige Werk erzählt mit Elementen aus Kantate, Oratorium, Hörspiel und Reportage mit drei Chören, Solis-ten, Orchester und Jazz-Combo ein halbes Jahrhundert Zeitgeschichte. Dabei war das Publikum von Musikern umzingelt: Auf allen Rängen standen Chöre, Lautsprecher beschallten die ZuhörerInnen mit durcheinander geschnittenen Reden von Adolf Hitler bis James Joyce. Mittendrin Metzmacher, der alle Teile mit der Präzision und Genauigkeit zusammenhielt, die man von ihm gewohnt ist. Ein perfekter, programmatischer Start in eine aufregende Musikwoche. else/lno

Wiederholung des Mahler/Zimmermann-Konzerts: heute, 19 Uhr, Musikhalle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen