subventionen kassiert: Aufbau Ost wird abgebaut
In höchster Instanz wurde eine Korrektur des Jahressteuergesetzes 1996 kassiert - das ist eine verspätete Niederlage für die Kohl-Regierung. Der Europäische Gerichtshof hat eine Abschreibungsmöglichkeit für nicht rechtens erklärt, mit der Westinvestoren in den neuen Bundesländern bis 1998 Steuern sparen konnten. Nach Ansicht der EU-Kommission ist dies eine Musterentscheidung, die weitere Verfahren nach sich ziehen wird.
Kommentarvon REINER METZGER
Für die betroffenen Unternehmer kann das Urteil schwerwiegende finanzielle Folgen haben, weil sie Steuern nachzahlen müssen. Nach der Einschätzung des Finanzministeriums sind das jedoch momentan nur relativ wenige Fälle. Die eigentliche Ungerechtigkeit beim Aufbau Ost ist bisher nicht berührt: Dass durch die vielfältigen Abschreibungsmöglichkeiten die Einkommenssteuer von Unternehmen und Vermögenden nach der Wende fast bis auf Null fiel und dadurch die Besserverdienenden weniger für die Einheit zahlten als der Rest der Gesellschaft.
Doch wird die EU-Kommission nach diesem Sieg vor dem EuGH wohl noch manch andere Regelung untersuchen. Das ist in einigen Fällen nur zu wünschen: Unsinnige Abschreibungsinvestitionen wie die sprichwörtliche vierte Büroimmobilie in Kleinroda verdienen keine öffentliche Förderung. Hier handelte es sich um Steuergeschenke der Regierung Kohl an ihre vermögende Klientel. Doch könnte eine weitere Abschreibungsüberprüfung auch fatal enden: Es ist nicht auszuschließen, dass auch Ostbetriebe ins Straucheln geraten, die inzwischen konkurrenzfähig sind. Jetzt rächt sich, dass die Bundesregierung sich nach dem Fall der Mauer die Wiedervereinigungsubventionen nicht ausdrücklich per EU-Vertrag genehmigen ließ.
Allerdings: Auch wenn Brüssel am Ende Milliarden zurückgefordern sollte - das Geld ist für den Osten nicht notwendig verloren. Die gesparten Einkommenssteuern, die nun nachgezahlt werden müssen, würden in die Kassen des Finanzministers fließen. Und prinzipiell hindert Eichel nichts daran, diese Summe in vernünftige Projekte im Osten zu investieren.
Die positive Folge des EuGH-Urteils könnte also sein, dass der„Aufbau Ost“ endlich vorankommt. Denn von dieser Chefsache ist bisher nicht viel zu bemerken bei der neuen Bundesregierung. Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, boomender Mittelstand - hier hängen die Neuen Länder immer weiter hinter der alten Bundesrepublik zurück.
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