: Rote Karte, schwarze Sau
■ Schleswig-Holsteins Fußball-Schiedsrichter wollen am Wochenende streiken
Sie wollen nicht mehr länger schwarze Sau, Schieber oder sogar Betrüger sein. Ob knapper Sieg der einen, Niederlage der anderen oder Unentschieden – Spieler, Trainer, Betreuer und Zuschauer suchen bei mäßigen Leistungen immer häufiger die Schuld bei den Schiedsrichtern. Pöbeleien sind an der Tagesordnung. Doch die Gerechten im Fußballbezirk IV des nördlichsten Bundeslandes sind es leid. Der Haussegen zwischen den Herren über Gelb und Rot und den Kickern hinge allerorten immer schiefer, meinen sie und treten von heute bis Sonntag in einen Warnstreik.
Mit der „Nachdenkpause“, wie manche Unparteiische die Aktion nennen, reagieren die Gralshüter des Fairplay auf die in den letzten Jahren vermehrt aufgetretenen tätlichen Übergriffe gegen ihre Zunft. Kein gelernter Referee wird an diesem Wochenende in Lübeck, Bad Segeberg oder Mölln eine Partie leiten. Wurden Spiele nicht bereits im Vorwege abgesetzt, kommen mancherorten womöglich Schiedsrichter-Laien zum Einsatz. „Das wird vielen die Augen öffnen“, hofft Horst Zawada, Schiedsrichterobmann des Kreises Segeberg.
Am Rande dieser Begegnungen wolle man das Gespräch mit Zuschauern und Sportlern suchen, um auf die Unfairness gegen die schwarze Gilde aufmerksam zu machen. Außerdem seien die Urteile der Sportgerichte oftmals viel zu milde. Zawada weiter: „Wenn ein Spieler dem Unparteiischen einen Kinnhaken verpasst, dann gehört der nicht nur zwei Jahre, sondern sein ganzes Leben gesperrt.“
In Hamburg ist diese Entwicklung ebenso negativ. Das Sportgericht des hamburger Fußball-Verbandes (HFV) verurteilt Woche für Woche nicht nur Meckerer und Foulspieler, sondern immer häufiger Schiedsrichter-Beleidiger. Derzeit pusten zwar rund 4000 Unparteiische regelmäßig auf den Fußballplätzen der Hansestadt in die Pfeife. Doch die Zahl ist wie in allen deutschen Landesverbänden rückläufig. Es werde gar immer schwieriger, Nachwuchs für die Schiedsrichterei zu rekrutieren, glaubt Carsten Byernetzky, Pressesprecher der Schiedsrichter im HFV sowie langjähriger Pfeifenmann der zweiten Liga.
Horrormeldungen mit gezielten Schlägen und Tritten gegen den 23. Mann gebe es mittlerweile überall, sogar im Jugendbereich, und seien für viele regelrecht abschreckend. Die Tendenz zu immer lauteren Verbal- und schlagkräftigen Faust-attacken sei allerdings kein fußballspezifisches Problem, meint Byernetzky. Die Gewaltbereitschaft innerhalb der Gesellschaft habe zugenommen. Das färbe nun auch auf den Sportplatz ab.
Nicht wenige der viel Geschmähten haben sich als Schutz vor möglichem Telefonterror sogar geheime Rufnummern zugelegt. Der flachgeistige und doch eher spaßig gemeinte Ausspruch „Schiedsrichter, Telefon!“ hat einen erschreckenden Beigeschmack bekommen. Oliver Lück
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen