: Senator mit beschränktem Standing
■ Wer macht hier eigentlich Kulturpolitik? CDU-Fraktionschef Eckhoff? CDU-Kultursenator Schulte? CDU-Finanzsenator Perschau? Oder niemand? Wir baten zwei Sachverständige um Auskunft
Ohne Mobiltelefone wäre die Welt entschieden ereignisärmer! Das lehrt die letzte Sitzung der Kulturdeputation. Wie berichtet (vgl. taz vom Samstag), mischte sich der CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff via Handy in die Verhandlungen ein, und kurz darauf galt die von CDU- und SPD-Deputierten zuvor vereinbarte Richtung nichts mehr. Die Koalitionäre hatten eigentlich verabredet, einen Teil des 2,1-Millionen-Mark-Lochs im Kulturetat des nächsten Jahres dadurch zu stopfen, dass einige Einrichtungen nicht mehr aus dem Haushalt, sondern aus einem Extra-Topf, dem Wettmittel-Etat, gefördert werden. Für 2001 sollte dem Schnürschuh-Theater, der Agentur dacapo und anderen eine verbindliche Zusage gegeben werden. Dies hat die Kulturdeputation nach Eckhoffs Intervention vertagt. Die Folge: Schließungen sind nun doch nicht mehr ausgeschlossen. Wir baten Brigitte Schulte-Hofkrüger und Brigitte Seinsoth um ihre Einschätzung dieses Vorgangs im Besonderen und des Geschachers und Gewurschtels in der Bremer Kulturpolitik im Allgemeinen. Die beiden Gesprächspartnerinnen sind Sprecherinnen des Kulturrats und vertreten die Mehrheit Bremer Kultureinrichtungen. Der Kulturdeputation gehören sie als nicht stimmberechtigte Sachverständige an.
taz: Jens Eckhoff sorgte durch seine Intervention für Aufregung. Haben Sie Vergleichbares schon einmal erlebt?
Brigitte Seinsoth: Nein. Dass Absprachen im Vorfeld stattfinden und Beschlussvorlagen noch kurz vor der Sitzung verändert werden, passiert nicht selten. Aber dass in eine laufende Deputationssitzung eingegriffen wird und das sogar mit dem Resultat, dass die CDU spontan ihre Verhandlungsposition verändert, ist einzigartig.
Brigitte Schulte-Hofkrüger: Das ist eine Brüskierung des CDU-Kultursenators Bernt Schulte durch seinen eigenen Parteikollegen, die ihresgleichen sucht. Es stellt sich die Frage, ob der Senator überhaupt noch die Souveränität besitzt, um seine Aufgabe als kulturpolitisch Verantwortlicher in dieser Stadt auch wirklich auszuüben.
Zunächst sollten einige Kultureinrichtungen mit einer klaren Bestandsgarantie für das nächste Jahr in den Wettmitteletat geschoben werden. Nach Eckhoffs Einschreiten ist diese Garantie gestrichen. Wie bewerten Sie das?
Seinsoth: Zunächst ist das Verfahren bemerkenswert. Die Deputationsmitglieder hatten keine Möglichkeit, im Vorfeld diese kulturpolitisch brisante Entscheidung zu prüfen. Wir haben die Vorlage erst im Lauf der Sitzung erhalten. So kann man sich nicht vorbereiten, so kann man auch nicht verantwortungsvoll Kulturpolitik betreiben.
Schulte-Hofkrüger: Im ersten Entwurf war die Kompensation für die Kürzungen im Kulturhaushalt über den Wettmitteltopf den betroffenen Einrichtungen konkret zugesagt. Wäre das beschlossen worden, hätten die Einrichtungen zumindest eine gewisse Planungssicherheit gehabt. Insofern ist der gefällte Beschluss eine klare Schlechterstellung für die Kulturszene.
Eckhoffs Argument gegen den ersten Entwurf hat doch eine gewisse Plausibilität: Erst nach Prüfung eines Projektantrages sollte ein Antragsteller aus dem Wettmitteletat auch Geld bekommen. Würde man schon vorab das Geld zusagen, würde man finanzieren, ehe man überhaupt geprüft hat, ob eine Finanzierung vernünftig ist. Das entspricht doch dem Geist des Wettmitteletats: Finanziert wird, was finanzierungswürdig ist.
Schulte-Hofkrüger: Na ja, da muss man sich doch aber zuvor über die grundsätzlichere Frage im Klaren sein, wie Kulturförderung überhaupt aussehen soll. Man kann nicht den Wettmitteletat zweckentfremden, indem man ihn zum Stopfen der Löcher im Kulturhaushalt missbraucht, aber anschließend sagen, der Wettmitteletat ist doch ein Projektetat, also entscheiden wir dort weiterhin im Sinne des Projektgedankens. Der Sinn und Zweck des Kulturhaushaltes ist es, den Einrichtungen die Betreibung der Häuser, die Finanzierung des Personals und Geld für das Programmangebot zur Verfügung zu stellen. Der Wettmitteltopf war dafür gedacht, Einrichtungen über ihr Regelangebot hinausgehende Projekte wie Festivals und Ähnliches zu ermöglichen, die einen zusätzlichen Finanzbedarf haben. Das Skandalöse an diesem Beschluss ist ja, dass die Wettmittel zweckentfremdet werden für die Finanzierung der Regelarbeit, die eigentlich aus dem Kulturhaushalt geleistet werden muss. Zugleich erhöht die Abhängigkeit vom Wettmitteletat die Gefahr, künftigen Kürzungsorgien schneller zum Opfer zu fallen, weil es einfacher ist, die Wettmittel zu kürzen als in den regulären Haushalt einzugreifen.
In einem taz -Interview hat die Deputationssprecherin Carmen Emigholz (SPD) erklärt, aus dem Haushalt sollten künftig nur noch die Betriebs- und Personalkosten der Einrichtungen bezahlt werden, während das Kulturprogramm über Projektanträge aus dem Wettmitteletat finanziert werden. Sinn macht diese Konstruktion doch nur, wenn klar ist, dass alle Einrichtungen, deren Infrastruktur über den Haushalt gefördert wird, auch gleichzeitig Geld für Programmarbeit bekommen. Wäre das nicht garantiert, würde man über den Kulturhaushalt ein Haus finanzieren, das kein Programm machen kann. Das wäre wohl kaum sinnvoll, oder?
Schulte-Hofkrüger: Das ist richtig. Aber man muss sich in der derzeitigen Gemengelage in Bremen davor hüten, hinter jedem Beschluss eine langfristige, wohl überlegte und kluge Planung zu vermuten. Ich denke, auch dieser Deputationsbeschluss ist wieder mal nichts mehr als eine konzeptlose Werkelei, die keiner weitsichtigen kulturpolitischen Strategie zu verdanken ist und zugleich die Fördermodalitäten für die Einrichtungen immer komplizierter und undurchsichtiger macht. Es geht um die Stutzung des Kulturetats gemäß der Sparvorgaben aus dem Finanzressort. Da verläuft nach wie vor die eigentliche Gefechtsfront. Mit Kulturpolitik hat das nichts zu tun.
Sowohl Eckhoff als auch Emigholz haben in taz -Interviews aber deutlich gemacht, dass eine Einfrierung des Kulturetats auf dem jetzigen Stand und damit das Herauslösen dieses Etats aus der generellen Sparquote des Senats denkbar ist. Trauen Sie diesen Ankündigungen?
Seinsoth: Im Augenblick traue ich nur dem, was ich sehe. Und zurzeit sehe ich, dass das Kulturressort an drei Szenarien arbeitet: Neben einer Einfrierung des Etats werden auch zwei Modelle diskutiert, wie weitere massive Einschnitte in die Kulturszene machbar sind. Wie der Haushalt tatsächlich aussehen wird, weiß derzeit niemand, auch Eckhoff und Emigholz nicht. Und woher sollte ich den Optimismus nehmen, dass nicht gleich die nächste unvorhergesehene Krise in Bund oder Land alle Absichtserklärungen zu Makulatur werden lässt und sofort wieder dazu führen wird, den Rotstift bei der Kultur anzusetzen? Schriftlich festgelegt in Senatsvorlagen und -beschlüssen ist bislang etwas anderes: Der Kulturhaushalt ist an die mittelfristige Finanzplanung anzupassen. Das bedeutet dramatische Kürzungen, nichts anderes.
Mit dem Deputationsbeschluss vom Freitag verfolgt die große Koalition das erklärte Ziel, den Einrichtungen eine gewisse Planungssicherheit bis Ende 2001 zu garantieren. Gleichzeitig sollen in den nächsten Monaten Kulturentwicklungsgespräche mit der Szene klären, welches Kulturangebotsprofil Bremen sich leisten kann und will. Ist das kein Angebot, auf das Sie sich einlassen können?
Schulte-Hofkrüger: Worüber wir reden, ist das eine, welche Weichenstellungen zeitgleich vorgenommen werden, das andere. Faktisch ist die Kulturszene in den letzten Jahren permanent von Kürzungen und Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen berührt worden. Von diesen Kulturentwicklungsgesprächen darf man nicht viel erwarten. Sie finden statt vor dem eindeutigen Hintergrund, weiter Geld zu sparen im Kulturbereich. Bei den faktischen Veränderungen auf der Finanzebene und unter Berücksichtigung der parteipolitischen Eskapaden, wie sie jüngst auf der Deputationssitzung offenkundig wurden, wäre eine andere Erwartungshaltung politisch naiv. Wir reden mit Herrn Dr. Schulte – und dann kommt Eckhoff und entscheidet nach Gutsherrenart etwas anderes. Der Herr Senator hat kein Standing, das einem Vertrauen einflößen würde. Es fehlt an der emphatischen Parteinahme für die Kulturbelange in den finanzpolitischen Verteilungskämpfen.
Fragen: Franco Zotta
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen