raubtierkapitalismus: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart
Monopoly
Da stehen vier runde Tische, schön mit weißem Leinen überzogen. An denen sitzen jeweils fünf Menschen. Alle tragen sie schwarze Hosen und weiße Hemden, die meisten auch eine dicke rote Schärpe. Auf der steht: „Deutsche Meisterschaften 2000“. Wer sie nicht hat, ist der Schiedsrichter und hält die Bank. Einer pro Tisch.
Das Ambiente ist stilvoll, hier im Opernpalais, direkt Unter den Linden. Kronleuchter, schwere Teppiche und so. Denkt man sich das Ambiente weg, und die roten Schärpen auch, dann ist das hier wie früher im Kinderzimmer. Man spielt Monopoly. Würfelt, verhandelt, kauft, zahlt Miete, kommt auf Los oder begibt sich direkt in das Gefängnis. Manchmal gewinnt man auch 200 Märker in einer Schönheitskonkurrenz. Und wenn es aufgehört hat zu regnen, geht’s wieder raus zum Fußballspielen. Ist ja auch zu langweilig auf Dauer.
Hier nicht. Hier geht’s um alles, zumindest aber um die Deutsche Meisterschaft. Das sieht man zum Beispiel an den Schweißperlen auf der Stirn von Klaus Armbrüster. Der Malermeister aus Worms tröstet sich mit Kuchen. Dreimal war er schon der Monopoly-König der Republik, das erste Mal 1976. Jetzt ist er zweimal übel abgezockt worden. Bankrott, pleite, rien ne va plus. Die Schärpe liegt unbeachtet am Spieltisch. Armbrüster schimpft: „Es macht einfach keinen Spaß, wenn man gar nicht richtig reinkommt in die Partie.“
Auch am Nebentisch wird geschimpft. Auf Schwäbisch. „Du haschd doch scho gar koi Chance mehr ghabt“, muss sich Thomas Piewitt anhören. Der smarte junge Mann sticht heraus aus der Konkurrenz, die sich über Regionalturniere in Düsseldorf, München, Hamburg, Dresden und Koblenz für das Berliner Finale qualifiziert hatte. Er ist jünger als die meisten, trägt Anzug und schweigt. Ein Pokerface zwischen Ereignisfeld und Hauptbahnhof. Außerdem ist er amtierender Meister und würde den Titel sicher gerne verteidigen. Das ist zumindest anzunehmen, denn der beste Monopolist (so sagt man wirklich) darf nächsten Monat zur Weltmeisterschaft nach Toronto und dort gibt’s dann auch mehr zu gewinnen als einen Pokal. 15.140 US-Dollar nämlich, das entspricht dem realen Wert des Spielgeldes einer amerikanischen Monopoly-Ausgabe. Nette Idee.
Überhaupt dürfte der Sponsor des Ganzen den Eifer der Beteiligten ganz nett finden. Hasbro Games ist einer der ganz großen Konzerne weltweit im Spielebereich. Auch Trivial Pursuit oder Scrabble tragen das Firmenlogo der Amerikaner. 200 Millionen Exemplare wurden seit 1935 allein von Monopoly verkauft, in 80 Länder wurde das Brettspiel importiert.
Da erzählt man die Geschichte von dem amerikanischenTraum doch gerne weiter. Charles B. Darrow kam die Idee zu dem Handel mit Straßen und Bahnhöfen in der Hochphase der Great Depression. Gestorben ist der damals arbeitslose Heizungsmonteur 1967 als Orchideen züchtender Millionär.
Dass man über lange Zeit im Ostblock sogar verboten war (und in China, Nordkorea und Kuba noch heute ist), wird in den Firmenunterlagen durchaus mit einem stolzen Unterton vermerkt. Ein harmloses Brettspiel! Verboten! Als Vorbote des grausamen Raubtierkapitalismus verpönt und gebrandmarkt! In der Tat ist ja der Sinn des Spieles nach wie vor, so viel Geld und Besitz wie möglich zu scheffeln und dabei die Konkurrenten in den Ruin zu treiben.
Hier im Opernpalais nimmt man den Überbau des eigenen Tuns nicht so richtig wahr. „Was soll’s“, sagt Klaus Armbrüster, „verlieren ist schrecklich, aber that’s Showbusiness“. Na ja. Eher wie: Männer spielen mit der Modelleisenbahn ihrer Söhne. HOLGER STRÖBEL
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