piwik no script img

„Guten Morgen aus Sydney“

. . . heißt es auch jede Nacht bei Eurosport. Doch die Kommentatoren sitzen überwiegend in Paris und sehen selbst nur fern. Dafür bietet der Sender Olympia in vier Sprachen – und das rund um die Uhr

von FRANK KETTERER

Die Nacht hat sich längst schläfrig über Paris gelegt, was Roy Fischer so ganz allmählich etwas unruhig werden lässt. Keine zwei Stunden sind es mehr bis zur Sendung, und da wüsste der Eurosport-Kommentator doch schon mal ganz gerne, wie der Ablaufplan für die erste Etappe dieser langen Nacht aussieht. Schließlich soll er für die Zuschauer in Deutschland, der Schweiz und Österreich gleich die Olympische Triathlonpremiere kommentieren.

Es wird Fischers erste Live-Übertragung überhaupt sein, und da ist es nur verständlich, dass sich so langsam die Schweißperlen auf seiner Stirn sammeln. Viel nützen wird ihm das nicht, nicht bei Eurosport: Erst kurz vor halb Eins schickt ihm die Regie die Informationen nach oben, die Zeit reicht jetzt gerade noch für einen Kaffee gegen die Müdigkeit.

Um 0.57 Uhr ruft Roy Fischer dann endlich sein „Guten Morgen aus Sydney“ ins Mikrofon, was sich zwar ganz nett anhört, aber nicht stimmt, weil der 35-jährige Mann aus Ludwigsburg eben nicht in Australien sitzt, sondern vor drei Monitoren in einem dunklen Kämmerchen im Pariser Stadtteil Issy.

Doch solche Dinge sind bei Eurosport nicht wirklich tragisch. „Wir wollen den Leuten nichts vormachen“, sagt Ingolf Cartsburg, Commentary-Manager und Produktionskoordinator in der Pariser Zentrale zwar, aber das ist dann wohl doch eher die offizielle Version für den Gast von der Zeitung. Seinem Kommentator hat Cartsburg zuvor jedenfalls ganz anderes mit auf den Weg gegeben: „Wissen die Leute, dass ich in Paris sitze?“, hatte Fischer da gefragt; und sein Chef geantwortet, dass die Leute es nicht wissen, das aber auch „nichts Schlimmes“ sei.

Kleine Crew vor Ort

Es ist ja auch nicht so, dass Eurosport niemanden rübergeschickt hätte zu Olympia. Vierzig Reporter sind in Sydney, um die Fernsehbilder, die man von der EBU, dem Zusammenschluss aller öffentlich-rechtlichen Sender in Europa, eingekauft hat, live zu kommentieren und mit selbst produzierten Interviews anzureichern. Das hört sich gar nicht so wenig an, ist aber im Vergleich zum Gigantismus, den beispielsweise ARD und ZDF betreiben, doch nicht viel mehr als eine Winzigkeit. Denn diese vierzig Eurosportler verteilen sich noch auf die vier Hauptsprachen des paneuropäischen Senders (englisch, französisch, niederländisch und deutsch), was das Häuflein noch kleiner macht.

Low-Budget-TV

„Eurosport“, sagt Cartsburg, „muss damit leben, dass wir als Spartensender nicht die logistischen, technischen und finanziellen Möglichkeiten haben, um gegen die Öffentlich-Rechtlichen konkurrieren zu können.“ Der Commentary-Manager hat sich damit längst abgefunden. „Wir müssen aus wenig viel machen“, sagt er ungerührt, Low-Budget-Produktionen nennt man das, auch wenn Cartsburg das nicht gerne hört, weil es irgendwie nach billig klingt.

Dafür ist Eurosport reich an olympischer Sendezeit, als einziger Sender weltweit überträgt der Kanal die Spiele rund um die Uhr. „Dass wir 24 Stunden senden können ist unser großer Vorteil“, meint Cartsburg, weil somit genügend Zeit ist, einzelne Sportarten von Anfang bis Ende zu übertragen. „Das ist unsere Politik“, sagt der Kommentatorenchef, und natürlich ist es auch ein bisschen Zwang: Von Sportart zu Sportart hüpfen, wie ARD und ZDF das spielerisch vormachen, kann Eurosport schon aus technischen Gründen nicht. „Wir sehen uns komplementär“, so Cartsburg was nichts anderes heißen soll als: ergänzend zu dem, was die Öffentlich-Rechtlichen nicht bieten. Wer beispielsweise die olympischen Turn-Wettbewerbe sehen will, kann das in voller Länge und ganzer Dramatik nur bei Eurosport; ARD und ZDF hingegen beschränken sich auf Highlights. Der Spartensender wird so zum Nischenkanal für Freaks, auch wenn Cartsburg das etwas anders umschreibt: „Wir sind eben ein Fachsender und unsere Zielgruppe ist das Fachpublikum“, sagt er.

Davon scheint es immerhin so viel zu geben, dass die Einschaltrekorde fast so heftig purzeln wie die Weltrekorde im olympischen Schwimmbecken: Gleich am ersten Wettkampftag hatte Eurosport europaweit insgesamt 30,92 Millionen Zuschauer, am folgenden Sonntag sogar 34,13 Millionen – weit mehr als die bisherige Bestmarke (30,3). Die wurde übrigens 1998 erreicht – bei den Winterspielen in Nagano.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen