: Die Tiefen des Scheiterns
Franz Josef Wagner, „BZ“-Chef und Schlagzeilendichter („Franzi van Speck“), steht vor dem Absturz
„Es ist nun leider wieder wahr geworden. Die Karrieren von heute zeigen alle ein und diesselbe Kurve: rapider anfänglicher Aufstieg, dann die Horizontale, allmählicher Abstieg bis zu den Tiefen des Scheiterns.“
So schrieb er noch am Sonntag in „Wagners Welt“, seiner ganz persönlichen Sottisen-Sammlung in der WamS, und meinte natürlich die untergegangene Frau van Almsick. Oder doch nicht? „Auf dem Höhepunkt aufhören ist Gold. Gilt übrigens auch für Kolumnisten“, schloss der Text. Und nicht nur das: Auch als Chefredakteur des Berliner Boulevardblatts BZ ist für Franz Josef Wagner offenbar Schluss.
Am Montag, so berichten Fachdienste, soll die Demission offiziell erfolgen, die Dementis aus dem Hause Springer sind lau und beziehen sich höchstens auf den Termin.
Zu selbstherrlich präsidierte der 1998 zur BZ und Springer gewechselte einstige Burda-Mann über eine heftig fallende Auflage, da konnten auch Sternstunden des schlechten Geschmacks nicht weiter helfen: „Pandabärin unfruchtbar. – Aber Schumi zweites Baby“ war nur eine der legendären Wagner-Schlagzeilen. Die aktuelle – „63 Tote, weil Kapitän Fußball guckte“ dürfte nun eine seiner letzten sein.
Das Franziska-van-Almsick-Debakel (Wagner: „Franzi van Speck“), nebst ausgedehnter Bewältigung ( Wagner: „Nur aus enttäuschter Liebe heraus geschrieben“) kostete viel der ohnehin aufgezehrten Sympathien, schließlich bezeichnete Wagner seine Redakteure bei der BZ gern und häufig als „Arschlöscher“ oder „Verräter“, denen er gnadenlos Minuten vor dem Redaktionsschluss ganze Seiten kippte Dabei blieb der Chefredakteur in seinem Kampf gegen den Hauptkonkurrenten Bild letztlich erfolglos. Nichts war mit dem „alten Mythos“ der BZ, den er doch um jeden Preis wiederbeleben wollte.
Wagner fällt zwar nicht allein den Kurskorrekturen des neuen Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner zum Opfer, gibt aber die tragischste Figur am deutschen Boulevardhimmel ab. Der Bild-Chefreporter des Umbruchjahrs 1989 war 1990 zu Burda gewandert, für den er das angeschlagene Society-Blättchen Bunte wieder auf Kurs brachte. Bei Burdas kurzlebigem Ost-Schlichtblatt Super festigte er seinen Ruf als „Gossen-Goethe“ („Angeber-Wessi erschlagen – Ganz Bernau glücklich“) so sehr, dass er wieder in den Bunte-Stall zurückgerufen wurde.
Bei Burda schied er 1997 aus, weil er zwar alle Freiheiten, aber kein eigenes Blatt mehr hatte, wie er im Interview gestand. Und jetzt steht Franz Josef Wagner wieder ohne da.STEFFEN GRIMBERG
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