: Faissal im Glück
„Alles ist von Allah gewollt“: Taekwondoist Faissal Ebnoutalib beglückt das Einwanderungsland Deutschland mit seiner Silbermedaille und will nun das Land in Sachen Kampfsport missionieren
aus Sydney RALF MITTMANN
Wie sieht Glück wohl aus? In dem Fall: 184 Zentimeter hoch, 80 Kilogramm schwer, es hat schwarze Haare und dunkle Augen, die Milde, Ruhe, Dankbarkeit verströmen. Jedenfalls an diesem Freitag im State Sports Centre. Und das Glück dieses Abends hat den Namen: Faissal Ebnoutalib.
Das Finale der 80-kg-Klasse hat der 29-Jährige gegen den kubanischen Weltcupsieger Angel Valodia Fuentes Matos 1:3 nach Punkten verloren, aber Geschichte geschrieben. Ebnoutalib ist in seiner Sportart, die in Sydney ihre Premiere erlebt, der erste deutsche Medaillist. „Es ist“, sagt Etnoutalib, „es ist, es ist ...“, dann schüttelt er den Kopf, „es fehlen mir die Worte.“ Dann: „Ich hätte schon gerne Gold gewonnen, aber ich bin auch mit Silber total zufrieden.“
„Ein Freundlicher“, nennt ihn Bundestrainer Georg Streif, „ein ganz Lieber, der nie etwas Böses im Sinn hat.“ Streif ist von anderem Schrot und Korn. Faissal würde er vermutlich gerne etwas abgeben vom eigenen Temperament, der Bursche ist ihm „etwas zu gutgläubig“. Streif hat da auch sofort ein Beispiel parat, ganz frisch, aus dem Finale: „Als der Kubaner seinen Punkt zum 2:1 gemacht hatte, hätte der Faissal nachschlagen können. Er hat aber die Aktion abgewartet, während der Kubaner gleich weiter attackiert hat.“
Noch ist wenig bekannt über Taekwondo. „Die Menschen in Deutschland sollen wissen, dass es Taekwondo gibt. Ich hoffe, dafür habe ich etwas getan“, sagt Ebnoutalib. Bei Streif hört sich das so an: „Der Faissal hat dem Taekwondo mit seiner Medaille geholfen, denn sehen Sie: Wir sind mit drei Teilnehmern hier gewesen und haben einmal Silber, andere waren mit Neunen da und haben nur eine Bronze.“ Die anderen sind: die Judokas. „Wir hoffen, dass sich das auch auf unsere Förderung auswirkt.“ Teakwondo befindet sich hier zu Lande in Entwicklung. Also muss die Silbermedaille präsentiert werden. „Pressekonferenz, ZDF auf der ‚MS Deutschland‘, Deutsches Haus“, Streif lacht siegessicher, der PR-Schlachtplan steht. Begeistert scheint sein Schützling nicht.
Aber Faissal Ebnoutalib weiß sehr wohl entscheidende Punkte für seine Sportart auch abseits der Matte zu machen. Keiner könnte besser erklären, worauf es wirklich ankommt in dem häufig falsch eingeschätzten Kampfsport, der seine Wurzeln in Korea hat. „Taekwondo, das hat nichts mit Bruce-Lee-Filmen zu tun, es ist nicht gefährlich und schon gar nicht brutal“, beginnt er seinen kleinen Nachhilfekurs. „Wichtig sind Disziplin, Selbstbeherrschung, Beweglichkeit, ein gutes Auge. Nur in Ruhe kann man Taekwondo richtig lernen, und dann ist es auch ein genialer Sport, um sich fit zu halten.“ Und: „Alles ist von Allah gewollt“. Auch die Medaille.
Ruhig, überlegt, mit wachem Geist – so hat er sich, der in Nador in Marokko aufwuchs und dort lebte bis zu seinem 20. Lebensjahr, auch seinen Job als Sicherheitschef im „Sinkkasten“ erledigt. Das ist eine Musikkneipe in Frankfurt, und wenn sich da mal eine Unstimmigkeit zwischen Besuchern ankündigte, war Ebnoutalib rechtzeitig da, um sie im Keim zu ersticken. „Ein freundliches Wort hat immer geholfen“, sagt er lächelnd.
Zusammen mit seinem Bruder Mohammed, dessen Einbürgerungsantrag läuft, und seiner Frau Michaela hat er eine Taekwondo-Schule eröffnet. Die würde er zunächst gerne um eine Saftbar erweitern, und vielleicht kann ja auch noch mehr daraus werden. Faissal Ebnoutalib sagt es und strahlt. Glücklich.
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