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Der Aufstand war nicht eingeplant

Die EU hat Probleme, Gelder für Serbien zusammenzukratzen. Dortige Experten haben schon detaillierte Vorstellungen vom Wiederaufbau des Landes

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Als Rupert Neudeck es Sonntagabend bei Sabine Christiansens Talkrunde zu einer Vertreterin des serbischen Oppositionsbündnisses sagte, klang es lediglich wie eine Provokation. Zwei Tage später erweist es sich als Prophetie: „Wenn Sie Geld brauchen, fragen Sie nicht die EU. Da kommt jahrelang nichts.“

Tatsächlich haben sich die Außenminister auf ihrem Ratstreffen in Luxemburg nicht dazu durchringen können, Soforthilfe für Serbien zu beschließen – trotz aller zuvor gegebenen Versprechen. Stattdessen verschieben sie die Entscheidung auf das informelle Gipfeltreffen Ende der Woche in Biarritz. Oder doch lieber auf den Balkan-Sondergipfel Ende November in Zagreb – da müsse dann aber „Butter bei die Fische, nicht die Ankündigung von Butter“, mahnt der deutsche Außenminister. Der französische Ratspräsident ist gestern nach Belgrad gefahren, um zu erfragen, was am dringendsten gebraucht wird. Zuvor hatte er allerdings die Fragen von Journalisten nach möglichen Hilfszusagen mit dem Hinweis abgewürgt, die EU sei keine Hilfsorganisation.

Ganz offensichtlich hat der Volksaufstand in Serbien die europäischen Politiker kalt erwischt. Die Revolution war frühestens 2001 eingeplant. „Wenn Serbien 2001 demokratisch würde, müsste der zusätzliche Bedarf aus dem Flexibilitätsinstrument gedeckt werden“, hat die EU-Kommission noch im Mai in ihrer neusten Bedarfsschätzung für den Balkan vermerkt. 200 Millionen Euro stehen für unvorhergesehene Ausgaben im nächsten Jahr zur Verfügung – ein Volksaufstand im laufenden Haushaltsjahr war nicht vorgesehen.

Nun sollen erst einmal Experten losgeschickt werden, die den Bedarf ermitteln. Dabei hatte Balkankoordinator Bodo Hombach in Luxemburg ziemlich detailliert schildern können, was gebraucht wird: Das Gesundheitswesen sei in verheerendem Zustand, die Donau noch nicht von Brückentrümmern geräumt. Der Lebensstandard sei teilweise auf „Dritte-Welt-Niveau“ abgesackt. „Wir setzen zunächst auf nationale Programme, bilaterale Hilfe, die schnell mobilisiert werden kann“, so Bodo Hombach gegenüber der taz. „Mit 10, 20 Millionen Euro kann man sehr viel sehr schnell bewirken.“ Mittelfristig allerdings müssten zusätzliche Mittel aufgebracht werden. Die von der Kommission veranschlagten 2,3 Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2006 seien realistisch. „Ich denke, Außenkommissar Patten hat da ein sehr gutes Konzept vorbereitet. Er muss sich aber jetzt durch die Insitutionen und Verfahren kämpfen.“

Auch in Serbien liegen schon detaillierte Pläne für den Wiederaufbau des Landes in der Schublade. Eine Gruppe oppositioneller Wirtschaftsexperten, die sich „G 17“ nennt, plant das Land mit einer Mischung erfolgreicher Wirtschaftsmodelle zu sanieren. „Wir wollen eine Schocktherapie nach polnischem Vorbild, einen skandinavischen Sozialstaat und eine allmähliche Privatisierung wie in Slowenien“, sagte der Ökonom Mladjan Dinkić, der als neuer Chef der jugoslawischen Zentralbank gehandelt wird. G 17 hat ausgerechnet, dass mit einer Milliarde Dollar Soforthilfe die ausstehenden Renten bezahlt und der dringenste Bedarf an Heizöl und Medikamenten gedeckt werden könnte. Allein für die Schäden aus dem Kosovokrieg im vergangenen Jahr müssten 4 Milliarden Dollar aufgewendet werden. Das Land habe 14 Milliarden Dollar Auslandsschulen. Es werde zehn bis zwanzig Jahre dauern, bis Jugoslawien seinen Vorkriegsstandard erreicht habe.

Auf eine Schadensbewertung der G 17 stützt sich auch das Papier der EU-Kommission vom Mai dieses Jahres. 4 Milliarden Euro würden in den kommenden Jahren für Infrastruktur und den politischen Wiederaufbau gebraucht. Ein Teil davon könnte als Darlehen gezahlt werden, 2,3 Milliarden müsste die EU beisteuern. „Die Europäische Union unterhält zum westlichen Balkan ausgezeichnete Beziehungen und spielt bei der Wiederherstellung der Stabilität in dieser Region nach wie vor die wichtigste Rolle“, heißt es vollmundig in dem Kommissions-Papier. Bodo Hombach hütet sich, den potentiellen Geldgeber für die Region durch Kritik zu verprellen. Die Tatsache aber, dass er für seine „Quickstart-Programme“ doch lieber auf nationale Gelder setzt, sagt viel darüber aus, wie weit die Union von ihrem Ziel entfernt ist, außenpolitisch mit einer Stimme zu sprechen.

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