: Weg mit den Regeln, es lebe der Markt!
Abschaffung von Mietzuschlägen, leichtere Umnutzung von Wohnraum: Der SPD-Wohnungsexperte Michael Arndt fordert eine Liberalisierung der Mietenpolitik. Bausenator Strieder reagiert mit vornehmer Zurückhaltung
von UWE RADA
Als „klaren Kurs in der Wohnungs- und Mietenpolitik“ hatte Michael Arndt, der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, seine gestrige Pressekonferenz angekündigt. Im Ergebnis freilich formulierte Arndt, ganz offensichtlich um einen Kontrast zu Bausenator Peter Strieder (SPD) bemüht, kein „Mehr“, sondern ein „Weniger“ an Wohnungspolitik. Vor allem seine Forderungen nach einem „Einstieg in den Ausstieg“ aus der Fehlbelegungsabgabe sowie nach einer weiteren „Flexibilisierung“ der „Zweckentfremdungsverbotsverordnung“ reihen sich ein in die Riege derer, die angesichts des derzeitigen Wohnungsleerstands endlich auch mal Marktgläubigkeit demonstrieren wollen.
In der Tat stehen in Berlin fast 50.000 Wohnungen leer, die meisten davon allerdings im oberen Marktsegment. Auf der anderen Seite aber verschärfen sich die sozialen Probleme. Michael Arndt will dem mit mehreren Maßnahmen begegnen, darunter der „völligen Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe innerhalb von fünf Jahren“.
Zwar hat der Senat bereits eine Bundesratsinitiative in die Wege geleitet, derzufolge künftig jedes Land selbst über die Erhebung der bislang bundeseinheitlich geltenden Abgabe entscheiden soll. Arndts Vorschläge gehen aber noch weiter. Zusätzlich zu den 16 Quartieren, in denen der Senat per Ausnahmegenehmigung gar keine Fehlbelegungsabgabe mehr erhebt, sollen in Kürze weitere Gebiete ausgewiesen werden. Die 30 Millionen Mark Einnahmen jährlich, die dem Finanzsenator damit entgingen, so Arndt, würden durch den Verbleib von zahlungskräftigen Mietern und deren Steuereinnahmen wieder ausgeglichen.
Des Weiteren möchte der SPD-Wohnungspolitiker mit einem größeren Recht auf Zweckentfremdung dem Leerstand zu Leibe rücken. Konkret schlägt Arndt vor, Gebiete zu benennen, „in denen die Zweckentfremdung in Erdgeschosswohnungen allgemein zulässig sein sollte“. Darüber hinaus soll eine Umwandlung nicht mehr verhindert werden dürfen, wenn sie „vorrangig öffentlichen Interessen“ dient, etwa der Einrichtung von Arxtpraxen oder Apotheken. Zu guter Letzt schließlich sprach sich Arndt noch gegen eine öffentliche Förderung des Abrisses von Plattenbauten wie in Brandenburg oder Sachsen aus.
Bei Bausenator Strieder stieß Parteikollege Arndt gestern auf vornehme Zurückhaltung. Die Ausweisung weiterer Quartiere, in denen keine Fehlbelegungsabgabe erhoben wird, werde geprüft, teilte Strieders Sprecherin Petra Reetz mit. Reetz warnte zugleich davor, Zweckentfremdung generell zulassen zu wollen. „Man sollte sich überlegen, Wohnungen weiter am Markt zu halten und nicht den Spekulanten zu überlassen.“ Ähnlich argumentierte auch die bündnisgrüne Wohnungspolitikerin Barbara Oesterheld. „Durch die Umwandlung von Erdgeschosswohnungen werde vor allem preiswerter Wohnraum vernichtet“, sagte Oesterheld, die auch davor warnte, Leerstand nicht mehr zu ahnden. „Dann könnten die Spekulanten föhliche Feste feiern.“
Solcherlei Skespis versuchte Arndt bei der Ansage seines „klaren Kurses“ gleich im Keim zu ersticken. Angesprochen auf die Rückendeckung seiner Partei, sagte er: „Ich bin der wohnungspolitische Sprecher und formuliere hier die politischen Daten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen