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RUSSLAND TREIBT DIE TSCHETSCHENEN IN DIE ARME DER FUNDAMENTALISTENBöses Spiel

Was seit einem Jahr im Kaukasus geschieht, verdient den Ausdruck Krieg nicht. Die „antiterroristische Aktion“ ist grausamer als der erbarmungsloseste Feldzug. In Tschetschenien vernichten die Häscher Moskaus systematisch ein ganzes Volk.

Obgleich die militärische Phase der Operation offiziell schon seit Frühjahr beendet ist, wüten die Männer in russischen Uniformen heute im Kaukasus wilder und blutrünstiger denn je. Wen sie physisch nicht vernichten, dem brechen sie zumindest das Rückgrat. Gezielt treibt der Kreml die tschetschenische Jugend so in die Arme der fundamentalistischen Rebellen, in deren Kreisen sich tatsächlich kriminelle Existenzen tummeln. Ein selbst inszenierter Teufelskreis, der Moskau die Legitimation verschafft, den Kampf buchstäblich bis zum letzten Tschetschenen fortzusetzen.

Menschenraub und Handel, Mord und Erpressung sowie groß angelegte Raubzüge sind es, womit sich die zahlreichen unkontrollierten militärischen Strukturen beschäftigen. Die letzten noch intakten Einrichtungen werden demontiert und Gewinn bringende Ressourcen über die Grenzen nach Russland geschafft. All das findet unter dem wachsamen Auge Wladimir Putins statt – des Präsidenten, der antrat, in der von Gesetzlosigkeit heimgesuchten Republik die verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen. Dabei verlangte die Eskalation der Gewalt vor Beginn der Operation tatsächlich nach einer Lösung. Nur: Im Vergleich zur Barbarei der „Befreiungsarmee“ erscheint die Gewalt von vorher mittlerweile fast harmlos.

Putin, der Oberkommandierende der russischen Streitkräfte, ist zum Gebieter eines Heeres von tausenden von Marodeuren nebst deren Paten avanciert – hoch gestellten Militärs, mit Rang, aber ohne Namen. In Tschetschenien steht keine Befreiungsarmee. Vielmehr treibt dort ein Besatzungsheer im eigenen Land sein Unwesen. Darüber ist Wladimir Putin bestens im Bilde. Greift er nicht ein, kann das nur zweierlei bedeuten: Gräueltaten und Willkür werden von ihm gedeckt und sind womöglich gar Teil seines Verständnisses von konstitutioneller Ordnung. Oder dem Kremlchef fehlt es an Kraft und Mut, sich gegen die selbstherrlichen Militärs durchzusetzen.

Beides sind keine beruhigenden Perspektiven. Aber die Weltöffentlichkeit darf sich nicht davon abschrecken lassen, vom Kremlchef entschlossene Maßnahmen zu verlangen, die mehr wert sind als das Papier, auf dem sie stehen. Das Fass ist voll.KLAUS-HELGE DONATH

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