: Tradition kontra Friedensmission
Zwei Wochen vor den US-Präsidentenwahlen treten die außenpolitischen Konzeptionen der beiden Kandidaten deutlich zu Tage. Während Bush an Verteidigungskriege und eigene Sicherheitsinteressen denkt, setzt Al Gore auf Krisenmanagement
aus Washington PETER TAUTFEST
„Ein Soldat, der kein guter Friedensschützer ist, ist auch kein guter Kämpfer“, sagt Commander Frank Wiercinski, Ausbilder in Fort Campbell, wo Amerikas Eliteeingreiftruppe, die 101st Airborne Division, stationiert ist. „Wir haben Soldaten in Venezuela (zur Katastrophenbewältigung), Bosnien und Kosovo (zur Friedenssicherung) und in Honduras“, ergänzt er.
Major Larsen übt gerade mit Truppenteilen, die aus Bosnien zurückgekehrt sind. Er wiederholt das Urteil seines Commanders, gibt aber zu bedenken, dass Soldaten, die von Friedensmissionen zurückkehren, erneut ausgebildet werden müssen. „Unsere Mission in Bosnien war wertvoll“, sagt er, „aber richtig tun konnten wir da nichts.“ Seine Soldaten nicken. „Ich bin zur Armee gekommen, weil ich gerne Dinge in die Luft sprenge“, sagt Sergeant Stinger.
Diesen Soldaten und diesen inneren Widerspruch zu ihren sich wandelnden Missionen in der Zeit nach dem Kalten Krieg schien Präsidentschaftskandidat George W. Bush im Auge zu haben, als er sich in seiner ersten großen außenpolitischen Rede im November letzten Jahres gegen „Aktion ohne Vision, Aktivität ohne Priorität und Missionen ohne Ende“ aussprach. In einer anderen Rede sprach er davon, dass „den USA die Rolle des Friedensmachers vorbehalten bleiben sollte, den Frieden erhalten, das sei Sache der Europäer“.
Bush und Cheney werden im Wahlkampf nicht müde, die Regierung zu kritisieren, dass sie das Militär haben verludern lassen. Bei der zweiten Debatte zwischen den Kandidaten wollte der Moderator diesen Widerspruch herauskitzeln: Welche amerikanischen Militäreinsätze der letzten Zeit hätte der eine oder andere Kandidat nicht befohlen? Bush passte. Nein, aus dem Balkan würde er die US-Truppen nicht abziehen, er würde sich allerdings dafür einsetzen, dass die Europäer einen größeren Teil der Verantwortung für die Friedenssicherung übernehmen.
Jetzt hat Bushs außenpolitische Beraterin das Bild zurechtgerückt. „Bush würde die US-Friedenstruppen aus dem Balkan abziehen“, mit dieser Schlagzeile wartete die New York Times am Wochenende auf. Condoleezza Rice hatte ein Interview gegeben und sich für die Konzentration der amerikanischen Militärmacht auf jene Aufgaben ausgesprochen, die nur sie wahrnehmen könnten. „Der Gouverneur (Bush) spricht von einer neuen Arbeitsteilung“, sagte die Wissenschaftlerin von der Stanford University, die zu Bush Juniors wichtigster außen- und sicherheitspolitischen Beraterin avanciert ist: „Die USA sind die einzige Macht, die einen Showdown wie den im Golf handhaben, die eine Streitmacht zum Schutze Saudi-Arabien zusammenstellen können. Ausgedehnte Friedenssicherungsmissionen lenken von unseren Aufgaben ab. (...) Wir brauchen die 82 Luftlandedivisionen nicht, um Kinder auf dem Schulweg zu begleiten.“
Das Interview sorgte für Aufregung in Washington und warf erstmals ein Schlaglicht auf die unterschiedlichen Akzente einer amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik unter einem Präsidenten Bush bzw. Gore.
Vizepräsident Gore sprach von einem verheerenden Fehler, den die USA machen würden, wenn sie sich aus Europa zurückziehen und ihren Einfluss in der Nato nicht mehr geltend machen würden. „Das Bush-Team hat einen altmodischen Begriff von Sicherheitspolitik“, sagte Gordon Adams, sicherheitspolitischer Berater Gores, der New York Times, „wir sollen ein gut finanziertes Militär unterhalten, das nichts unternehmen soll, weil es nur die Kriege zur nationalen Verteidigung ausfechten soll, die wir zurzeit nicht haben.“
Während Bush in allen Skizzen seiner Außenpolitik Europa, Asien und die eigene Hemisphäre ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit zu rücken verspricht und zu einer eher traditionellen Konzeption von Außenpolitik zurückkehren will, möchte Gore eher die Friedensmissionen sowie die neue Rolle der US-Army als Krisenmanagement- und Konfliktbewältigungsinstrument ausbauen. Vor einer Gruppe von Militärexperten nannte Gores Berater Leon Fuerth als vordringlichste außenpolitischen Aufgabe einer Regierung Gore den Umweltschutz und die Bewältigung der Aids-Katastrophe in Afrika. In Bushs Reden über Außenpolitik kommt Afrika nicht vor. Darauf angesprochen antwortete Bush: „Wir müssen Prioritäten setzen.“
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