: Herr der Herrlichkeit
Der RWE-Konzern trennt sich von Werbepartner Daum – und muss nun weit zurückrudern: eine Dokumentation
„Da denkt man doch, es kommt der Herr der Herrlichkeit. Im Lichtschatten der Kathedrale von Palma drehen sich die mächtigen Scheinwerfer, bündeln sich (...) zum grellen Spot, das Volk raunt, Kameraleute flitzen, Mallorca in Aufruhr, eine Szene wie im Film und doch aus dem wirklichen Leben – dem neuen Leben des Christoph Daum (46).“ Die überschwänglich besungene Lichtgestalt entspringt dem Werbemagazin „Agenda“ des Energiekonzerns RWE, das bundesweit Illustrierten beilag. Hat das Denken wirklich die Richtung geändert, wie der RWE-Slogan nahelegt?
Die Lektüre der Broschüre erhellt, warum der Konzern den Trainer zum Maskottchen erkor: „Ab 2001 ist Daum Bundestrainer. Und damit ist die Rolle definiert, die ihn im Fußball-Land Deutschland gleich unterhalb des Bundeskanzlers positioniert: Hoffnungsträger, Heilsbringer, Erlöser“, jubelt es einem von den Hochglanzseiten entgegen. Gepriesen wird auch dezidiert Daums erstaunliche Energie und – wie inzwischen bekannt ist – drogenbedingte Rastlosigkeit: „Er versucht immer alles und sofort“, heißt es, und da ist es für die RWE „kein Wunder, dass Daum auch in der Wirtschaft ein gefragter Mann ist. (...) In jedem großen Unternehmen hätte er seinen Platz ganz weit vorne.“ Daher darf Daum, bekannt für „seinen Mut zum Tanz auf der Rasierklinge“, über zwei Doppelseiten mit dem stellvertretenden Vorsitzenden einer Finanzberatungsfirma plaudern – über Fusionen, die Deutschland AG und die RWE. Ein Gespräch über „Fußball und Wirtschaft“, in dem der aufgeputschte Hochleistungsmensch ganz nach dem Geschmack seines Sponsors aufdreht: „Ich bin ein leidenschaftlicher Mensch. Viele fragen mich: Woher beziehst du eigentlich diese Power? Die kommt aus den Zielen. (...) Das Ziel entwickelt einen Sog. Das saugt dich an. Und wenn du das erreichst, dann kommt automatisch auch das Geld nach. Diese Dinge müssen wir unseren Kindern wieder etwas mehr vorleben.“
RWE-Chef Dietmar Kuhnert schreibt im Editorial: „Mit seiner Persönlichkeit vertritt er glaubwürdig die Identität unseres Unternehmens.“ Daum sagt: „Wenn ich bei etwas mitmache, dann powere ich richtig. Ein bisschen schwanger geht nicht.“ Der Konzern hatte genau den Daum, den er wollte – mit Haut und Haaren. Nun ist das Gewürge groß, den „Herrn der Herrlichkeit“ wieder auszuspeien. ARNO FRANK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen