: Gelb ist die Hoffnung
Ab Montag können Aktien der Deutschen Post gezeichnet werden. Bescheidener Gewinn winkt
von THOMAS STROHM
Hören Sie eigentlich auf ihren kleinen Bruder? Thomas Gottschalk tut es und wird auf dessen Anraten in den nächsten Wochen wohl die ein oder andere Aktie der Post AG zeichnen – zumindest wenn man der Flut seiner Werbebotschaften glauben darf, die momentan über die potentiellen Post-Aktionäre hereinbricht. Zum gelben Riesen gibt es aber – „Postblitz!“ – durchaus unterschiedliche Meinungen. Bevor voreilig auf jüngere Geschwister gehört wird, heißt es also wirklich „Aufgepost!“
Aus der guten alten Bundespost ist mit Hilfe von Unternehmensübernahmen der weltweit größte Logistikanbieter geworden – ein Konzernkonglomerat mit vier Sparten: Brief, Express, Logistik und Postbank.
„Die Post ist ein stabiles Unternehmen, auch wenn es vielleicht nicht mehr so profitabel ist wie in der Vergangenheit“, urteilt Ralf Wojtek vom Bundesverband Internationale Express- und Kurierdienste. Eine besonders interessante Einschätzung, denn hier sind die Wettbewerber der Post wie UPS organisiert.
Richtig Geld wird aber nur im Briefgeschäft verdient. Und da soll 2003 in Deutschland das Monopol bei der Briefbeförderung fallen. In den anderen Ländern der Europäischen Union soll es dagegen für Briefe bis 100 Gramm bestehen bleiben. Eine „Liberalisierung im Gleichschritt“ fordert denn auch erwartungsgemäß die Post und hofft auf die deutschen Politiker. Auch die Aktienanalysten wollen nicht daran glauben, dass die Bundesregierung den deutschen Markt für ausländische Postunternehmen öffnet, während der Deutschen Post die anderen Märkte verschlossen bleiben. Schließlich hält der Bund weiterhin die Hälfte der Post-Aktien. Die andere Hälfte, aus der die Aktien nun an die Börse sollen, ist noch im Besitz der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die wiederum gehört zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Ländern.
Das Paketgeschäft in der Unternehmenssparte Express hat es gerade aus dem Verlustbereich geschafft. Hier hat der gelbe Riese ebenso einen gewaltigen Aufholbedarf wie beim Güterverkehr im Bereich Logistik.
Ein enormes Potential sehen Experten rund um den Transport von Briefen, Paketen und Gütern. Hier kann den Unternehmen von den Postdienstleistern beispielsweise das Adressieren oder Aufschlitzen von Briefen abgenommen werden.
Alles andere als Begeisterung löst die Unternehmenssparte Postbank bei den Analysten aus. Sie vermissen eine klare Strategie und sagen: „Post, Logistik und eine Bank – das passt nicht zusammen.“
Dieses „Unternehmensimperium“ habe sich die Post mit „überhöhten Preisen“ im Monopolbereich auf Kosten ihrer Kunden aufgebaut, meint Wilhelm Hübner vom Deutschen Verband für Post und Telekommunikation. Der frühere Postbenutzerverband vertritt eine eindeutige Meinung: „Die Post ist ein sehr ungesundes Unternehmen.“ Der Briefdienst habe im ersten Halbjahr 35 Prozent zum Umsatz beigetragen, jedoch 77 Prozent zum Gewinn – ein Verhältnis, das nach seiner Ansicht die Abhängigkeit der Post vom Briefmonopol zeigt. Fällt dieses weg, purzeln nach Überzeugung des Verbands nicht nur die Preise, sondern auch die Gewinne.
Ein Risikofaktor ist zudem die EU-Kommission: In Brüssel laufen mehrere Verfahren gegen die Preis- und Rabattpolitik der Post.
Dieses Risiko stelle das Unternehmen „bagatellisiert“ dar, meint Hübner. Besonders gefährlich sei das Verfahren wegen des Transfers von Gewinnen, die die Post in einem Monopolbereich wie dem Briefgeschäft erzielt hat, in Wettbewerbsbereiche wie beispielsweise den Pakettransport: Die Post müsse hier nicht nur mit einem EU-Bußgeld in womöglich dreistelliger Millionenhöhe rechnen, sondern auch damit, staatliche Beihilfen in Höhe von mindestens 15 Milliarden Mark zurückzahlen zu müssen. So gab es allein 5 Milliarden Mark Zuschüsse des Bundes an die Post-Pensionskasse.
Der Konzern wird von Banken mit durchschnittlich 25 Milliarden Euro bewertet: Das ergäbe einen Wert von 22,52 Euro für jede der 1,11 Milliarden Aktien, von denen 25 bis 33 Prozent – maximal 367,22 Millionen Stückaktien – zum Kauf stehen. Wegen der Risikofaktoren und natürlich auch zur Erhöhung des Kaufanreizes wird jedoch wohl ein Abschlag gewährt. Angemessen finden die Fachleute einen Preis von etwas mehr als 20 Euro. Hartmut Moers vom Bankhaus Julius Bär empfiehlt beispielsweise, die Aktie bis zu 20,50 Euro zu zeichnen. Bei diesem Emissionspreis habe das Papier ein Wachstumspotenzial von 10 bis 20 Prozent, urteilt auch Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler, das wie Julius Bär nicht am Börsengang beteiligt ist. Bei einem höheren Preis wären die kurzfristigen Wachstumsperspektiven ausgereizt.
Für einen gelungen Start spricht auch die Aussicht, in den Dax aufgenommen zu werden. Denn dann müssen die Manager der Fonds, die den Dax nachbilden, zugreifen. Und auch in zahlreiche Logistikfonds wird die Aktie wohl gepackt werden. Eine Aufnahme in den Dax ist zwar eigentlich erst im März möglich. Aber mit einer Ausnahmegenehmigung könnte die Post-Aktie schon Mitte Dezember den Weg in den Aktienindex finden.
Die Frage sei, ob jeder der zeichne auch eine faire Chance auf Zuteilung habe, heißt es bei der Verbraucherzentrale Berlin. Schließlich heißt nicht jeder Gottschalk und hat auch noch einen kleinen Bruder, der ihm Ratschläge für seine Finanzen gibt.
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