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Shakespeare im Bade

Kleine Theater, Teil 6: Komödien, Thriller und Klassiker auf englisch  ■ Von Kerstin Wiese

Im Kassenraum herrscht Kurgastatmosphäre. Türkisfarbene Kacheln und die Keramikplastik einer Badenden begrüßen einen gleich am Eingang, und um zu den Leitern des English Theatre zu gelangen, muss man dem Pfeil zum „Kraftraum“ folgen und in den Keller hinabsteigen.

Seit 1981 residieren die beiden Theatergründer Clifford Dean und Robert Rumpf im ehemaligen Hammonia Bad am Lerchenfeld. Büros, Werkstätten und Magazine sind im Keller untergebracht, der schmucke kleine Theatersaal mit 160 Plätzen befindet sich im ersten Stock, ein Proberaum im Anbau. Nicht die beste Ausstattung, könnte man meinen, doch im Gegensatz zu den Gründertagen ist die Situation des Theaters heute exzellent.

Eher zufällig kamen die US-Amerikaner Dean und Rumpf Mitte der 70er Jahre nach Hamburg. In San Francisco hatten sie Schauspiel und Theaterwissenschaft studiert und suchten nach einem Ort in Europa, um ein eigenes Theater zu eröffnen. „Weil uns ein Freund von der Hansestadt vorschwärmte und meinte, dass es hier genügend Publikum für ein englischsprachiges Theater gäbe, kamen wir nach Hamburg“, erzählt Robert Rumpf und berichtet von den mühseligen Anfängen. „Alles begann mit einem Tourneetheater. Drei Jahre lang spielten wir unsere Stücke immer dort, wo ein Raum zu mieten war: in der Fabrik, im Piccolo-Theater, in der Markthalle oder der International School.“

1979 endlich fanden Dean und Rumpf ein festes Domizil an der Stresemannstraße, zwei Jahre später bezogen sie die größeren Räume an der Mundsburg. Ohne finanzielle Unterstützung durch die Stadt ein großes Wagnis, denn die Umwandlung des medizinischen Bades in ein Theater war höchst kostspielig. Zudem wachten die Behörden mit Argusaugen über jede Umbaumaßnahme in dem denkmalgeschützten Art decó-Gebäude. Viel Geduld mussten die Theaterdirektoren damals aufbringen und der Bürokratie trotzen, doch die Anstrengungen haben sich gelohnt.

Acht Vorstellungen pro Woche gibt das Theater heute und ist zu etwa 85 Prozent ausgebucht. Dean und Rumpf bemühen sich um ein Programm, das jedem etwas bietet: Pro Saison zeigen sie einen Klassiker, einen Thriller, eine Komödie und ein Drama; britische und amerikanische Stücke sind gleichermaßen vertreten. Zur Zeit ist Cliffhanger zu sehen, ein Krimi des amerikanischen Autors James Yaffe. Danach stehen Come blow your horn von Neil Simon, My fat friend von Charles Laurence und Twelfth night von William Shakespeare auf dem Programm.

Die Inszenierung der Stücke übernehmen die beiden Direktoren abwechselnd. Um kreativ zu sein, haben sie das Theater gegründet, und sie haben die Theaterarbeit über aller Verwaltungstätigkeit nicht aufgegeben. Die Bühnenbilder gestalten sie detailreich, im Fall von Cliffhanger als typisch amerikanische 60er–Jahre-Wohnung. Die Darsteller engagieren sie in London, wo sie vier mal jährlich ein Casting durchführen. „Drei Wochen dauern die Proben, zehn Wochen läuft jedes Stück“, erklärt Clifford Dean. „In dieser Zeit wohnen die Akteure in Wohnungen, die wir für sie gemietet haben.“

Nur Muttersprachler treten im English Theatre auf, das eng mit Schulen kooperiert. Bücher der aufgeführten Stücke und Lehrmaterial werden an die Schulen geschickt, und zwei Mal pro Woche gibt es Vormittags-Vorführungen, die auch von Rentnern gern besucht werden. „Die Leute, die in diese Vorstellungen kommen, sind entweder sehr jung oder sehr alt“, kommentiert der Amerikaner Dean mit britischem Humor.

Besonders stolz sind die beiden Theaterleiter darauf, dass man die Karten online buchen kann. „Wir waren das erste Theater in Deutschland, in dem das möglich war, noch vor dem Hamburger Schauspielhaus“, erzählt Rumpf, und es bereitet ihm sichtlich Freude, dem großen Konkurrenten um eine Nasenlänge voraus gewesen zu sein.

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