ärzte-protest: Wohl dotierte Klagelaute
Man hebt den Stein und sieht das Gewimmel. Im Falle der Ärzte der Hauptstadt eine ansehnliche Zahl von geldgierigen, egoistischen Raffkes. Ärzte, die einen Eid darauf gegeben haben, jeden Menschen gleich gut zu behandeln – egal ob die AOK zahlt oder eine namenlose Kasse.
Kommentar von ANNETTE ROGALLA
Man hatte ja schon lange so seine Ahnung, dass es vielen Medizinern nur ums blanke Geldmachen geht. Sie sind ja nicht ungeschickt. Geben stärkende Infusionen und hoch dosierte Vitaminpillen gegen Bares ab, raten zu Diätpillen auf Privatrezept. Mittlerweile haben sie sich so einiges zusammengearbeitet. Die Überschüsse der Ärzte nach Abzug der Praxiskosten steigen. Zwischen 1996 und 1998 konnten sie in Deutschland-West fünf Prozent mehr nach Abzug der Praxiskosten auf ihrem Konto verbuchen; im Osten waren es 7,2 Prozent. Eine ziemlich respektable Steigerung des Einkommens. Im Durchschnitt verdienen niedergelassene Ärzte 195.000 Mark im Jahr. Mediziner haben noch nie an der Wirklichkeit gelitten. Weil sie sie ausblenden.
„Wir Ärzte beklagen den Niedergang des Solidarsystems!“ Ein Jammerlied gaben die Mediziner gestern bei ihrem „Trauerzug“ durch die Innenstadt zum Besten. Noch bis Freitag werden Patienten von „streikenden“ Praxen kurzerhand zum Bündnispartner erklärt. Gemeinsam mit den Herren von der Kassenärztlichen Vereinigung sollen sie zum letzten Gefecht um das ärztliche Grundrecht auf automatische Gehaltserhöhung blasen.
Wer gute Gewinne macht, gleichzeitig aber Patienten von der medizinischen Versorgung ausschließt und sie auch noch zur Solidarität zwingen will, nimmt den Mund randvoll. Daran kann man ersticken.
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