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press-schlagUntersuchungen in Brasiliens Fußball schrecken Fifa

Blatter verliert Schafspelz

Zwei Jahre lang hatte sich Sepp Blatter im Süßholzraspeln, windelweichen Taktieren und Es-jedem-Recht-Machen geübt, um seine wacklige Position als Fifa-Präsident zu stabilisieren, doch jetzt lüpfte er den Schafspelz ein wenig, und es kam der alte Geist der zweitmächtigsten Sportorganisation nach dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zum Vorschein. „Ich habe bei den Worten von Blatter die typische Überheblichkeit der Fußball-Welt gespürt“, sagte Alvaro Dias, Präsident einer Parlamentskommission, welche korrupte Machenschaften im brasilianischen Fußball untersucht. Zuvor hatte der Fifa-Boss Brasilien den Ausschluss von allen Turnieren inklusive WM 2002 angedroht, „falls wir zu dem Schluss kommen sollten, dass es eine unzulässige Einmischung gibt“. Einmischung ist nach traditioneller Fifa-Diktion alles, was die Geschäfte der Fußballherren stören könnte.

Während das IOC inzwischen auf eine Art Schmusekurs mit den Regierungen gegangen ist, seit man im Zuge des Salt-Lake-City-Skandals entsetzt feststellen musste, dass selbst eine sakrosankte Figur wie IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch vom FBI zur Vernehmung in die USA befohlen werden kann, ist den Fußballbossen derartige Rücksichtnahme noch fremd. Außerdem ist Brasilien nicht USA, sondern ein Land, dass die Fifa jahrzehntelang in der Tasche hatte. Schließlich ist der ehemalige Präsident João Havelange Brasilianer und sein Schwiegersohn Ricardo Teixeira langjähriger Chef des nationalen Fußballverbandes CBF. Gemeinsam kehrten sie noch jeden der zahlreichen Skandale unter den Teppich.

Jämmerlicher Zustand

Die anhaltenden Kalamitäten der jüngeren Zeit brachten das Fass jedoch zum Überlaufen. Die Landesmeisterschaft kann aufgrund von Querelen nicht ausgetragen werden, der Finalniederlage bei der WM 1998 gegen Frankreich folgten bittere Schlappen in der WM-Qualifikation, Ex-Nationaltrainer Luxemburgo wird verdächtigt, Bestechungsgelder für die Nominierung von Spielern kassiert zu haben, und überhaupt ist die „Seleção“ in einem jämmerlichen Zustand. Auch, so wird vermutet, wegen des Zehnjahresvertrages, den der Verband 1997 mit dem Sportartikelkonzern Nike schloss.

Dieser Kontrakt ist Gegenstand einer Untersuchung des Parlaments, während eine Kommission des Senats sich mit finanziellen Unregelmäßigkeiten bei den Klubs sowie bei Spielertransfers und mit Steuerhinterziehung befasst. Vorhaben, die Sepp Blatter offenbar in Angst und Schrecken versetzen, auch wenn der Schweizer, nachdem Brasiliens Kongress kühl gedroht hatte, ihn selbst vorzuladen, inzwischen einlenkte und die Untersuchungen guthieß, „solange sie außerhalb der Belange der Fifa bleiben“. Schließlich würde es nach Meinung des Fifa-Chefs „keinen Sinn machen, wenn sich Brasilien mit der WM in Frankreich oder Regeländerungen im Fußball befassen würde“. Als ob das jemand vorgehabt hätte.

Die Affäre Ronaldo?

Befassen werden sich die Parlamentarier allerdings mit den Vorgängen im brasilianischen Team vor dem WM-Finale von Paris und vor allem mit der Frage, ob der kranke Ronaldo auf Druck von Nike in die Mannschaft kam. Am 23. November werden die Spieler Ronaldo, Edmundo, Roberto Carlos, der damalige Trainer Mario Zagalo und Teamarzt Lidio Toledo aussagen. Schon am 9. November müssen Havelange und Ex-Sportminister Pelé Rede und Antwort stehen. CBF und Nike wurden bereits verpflichtet, den umfangreichen Vertrag, der dem Verband rund 180 Millionen Dollar bringen soll, endlich offen zu legen. Die Zeitung Estado de Minas veröffentlichte Auszüge, zum Beispiel Artikel 20.1, der besagt, dass keinerlei Informationen über den Inhalt des Kontrakts den Medien zugänglich gemacht werden sollten, oder einen anderen Paragrafen, der das A-Team zu 50 Freundschaftsspielen in zehn Jahren verpflichtet. „Die CBF hat Nike zum Besitzer des brasilianischen Teams gemacht“, urteilt Estado de Minas.

Unter die Lupe genommen werden auch Transfers von Stars wie Ronaldo oder Romario sowie die Praxis, minderjährige Spieler an europäische Klubs zu verschachern. Wenn sie nicht die erhoffte Leistung brachten, wurden diese Jugendlichen teilweise einfach auf die Straße gesetzt. Das sind Bereiche, die sehr wohl der Verantwortung der Fifa unterliegen, deren Reaktion an die 80er-Jahre gemahnt, als etwa Spanien vor dem WM-Ausschluss stand, weil der Arbeitsminister verfügt hatte, dass Gesetze auch im Fußball Gültigkeit haben. „Ich bin sicher, die Fifa hält nichts von der Idee, dass Leute, die im Fußball tätig sind, Steuern hinterziehen“, sagt der brasilianische Kongressabgeordnete Aldo Rebelo. Angesichts der Vergangenheit des Fußball-Weltverbandes ist die Süffisanz dieser Äußerung nur schwer zu übersehen. MATTI LIESKE

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