piwik no script img

buchtippDie Mühen des Trails

Manche sind dem Weg gewachsen. 1948 schaffte ein Wanderer die dreieinhalb Tausend Kilometer des Appalachian Trail im Osten US-Amerikas und brauchte dafür genau vier Monate. Rund 4.000 Wanderer sollen es ihm inzwischen nachgemacht haben, die meisten gingen allerdings in Etappen. Die längste Etappenwanderung dauerte 46 Jahre.

Bill Bryson und sein Mitwanderer, zwei durchschnittliche Männer mit Übergewicht und nicht mehr ganz jung, gehören zu den ungezählten Abbrechern. Sie mühten sich einen Sommer lang auf dem Trail ab und brachten es dann doch nur auf 1.400 Etappenkilometer. Niemand ahnt auch nur im Geringsten, worauf er sich einlässt, wenn er einen Rucksack packt, 20 oder 30 Kilo auf den Rücken hievt und dann einfach losstapft, im Vertrauen darauf, die Strecke irgendwie zu schaffen, irgendwann eine Schutzhütte zu erreichen. Vielleicht hofft man ja, die Schlafstatt für sich zu haben – man muss sie aber oft genug mit schrulligen Zufallsbekanntschaften teilen, man muss vielleicht auf dem Boden campieren, in Gesellschaft von Mäusen und Ratten. Essen ist kleingeschrieben, Waschen gestrichen. Dass man sich verläuft, gehört dazu. Hinzu kommen Gerüchte über wieder aufgetauchte Berglöwen und sich munter vermehrende Schwarzbären.

In seinem Reisebuch über den großartigen Appalachian Trail hat Bryson diese Krisen gut im Griff, pointiert und hart an der Satire bringt er Lust und Leid der Wanderer ausgiebig zur Sprache. Selten wurde dem drögen Wanderstoff so viel Lebendigkeit abgewonnen. Erstaunlicherweise fragt man sich bei der Lektüre nirgends nach dem Sinn der Strapazen, denn sie erscheinen letztlich gering gegenüber den Highlights des Naturtrips, jeder Wiedereintritt aus den großartigen Landschaften in die so genannte Zivilisation wirkt noch absurder als der Rückzug in die Natur.

Und natürlich ist es das Gehen selbst, das verführerisch wirkt, die Aussicht nämlich, ganz bei sich zu sein, nichts mehr zwischen sich zu wissen, weder Zeitgefühl, Verpflichtungen noch Ambitionen. „Man befindet sich in einem Zustand, den man als Zen der Bewegung bezeichnen könnte“, schreibt Bryson. Es muss ein sehr schönes Gefühl sein.

CHRISTEL BURGHOFF

Bill Bryson: Picknick mit Bären. Goldmann-Verlag, München 1999, 344 Seiten, 19,80 DM

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen