: Krise? I wo!
■ Die Disco Moments ist quasi pleite, pfeift so mancher vorlaute Spatz vom Viertel-Dach. Unsinn, pfeift Betreiber Holger Mertins zurück und freut sich vielmehr darauf, am Freitag den fünften Geburtstag des Moments groß feiern zu können
Fünf Lebensjahre sind für einen Viertel-Club eine lange Zeit. Die Fluktuation bei Discos und Bars ist groß. So gibt es schon etwas zu Feiern für Holger Mertins, den Gründer und Betreiber des „Moments“. So en vogue wie in den ersten Jahren ist das „Moments“ derzeit nicht. Aber das sei ein Phänomen, „das jede Disco kennt“.
Beim Start vor fünf Jahren war das Moments etwas ganz Neues im Viertel: Ein „gepflegter“ Club für ein Publikum, das dem Discoalter entwachsen ist, für Frauen, die sich hier sicher fühlen können und für Konzerte, Kabarett oder Lesungen. „Black Music“ war hier lange der Renner, aber die ist inzwischen auf den („Gangsta“-) Hund gekommen. Auch die lange gutbesuchten „Urban-Jazz“-Tanznächte gingen irgendwann den Bach runter, aber nun geht es nach Aussage von Mertins langsam wieder bergauf mit dem „Buena Vista Social Club“ und Salsa jeweils Freitag abends bei „Cuba Feeling“.
Die Disco ist der „Broterwerb“ – gegründet hatte Mertins das Moments aber in erster Linie wegen der Live-Konzerte. Die Jazz- und Popredaktion von Radio Bremen Zwei brauchte eine Bühne für die von ihnen mitgeschnittenen Live-Auftritte. Mertins, der vorher solche Konzerte in der Schauburg organisierte, sah sich nach einer Alternative um. Er fand Vor dem Steintor 65 eine Lokalität mit damals üblem Ruf, in der jahrelang Discos mit Namen wie „Starship“, „XL-“oder „Mix-Club“ entweder Pleite gingen oder von der Polizei geschlossen wurden.
Dabei waren und sind die Räumlichkeiten ideal, mit einer großen Tanzfläche und Bühne, die so weit von der Bar entfernt ist, dass man sich dort selbst bei lauter Musik hinten noch gut unterhalten kann. Bei Konzerten passen 500 zahlende Gäste halbwegs bequem ins „Moments“. Mit den Konzerten hat sich das Moments einen guten Namen gemacht: Fast noch zur Eröffnung sang hier die große Jazzvokalistin Betty Carter, auch Luther Ellison war kurz vor seinem Tod noch live zu erleben. Die Konzertreihe „Women in (E)motion“ hat hier seit Jahren ihr Basislager, und für viele internationale Musiker wie etwa die kanadische Sängerin Holly Cole (die heute Abend im „Moments“ auftritt) war es die erste Bühne in Deutschland überhaupt. Tim Fischer war lange Moments-Stammgast und das Juristenkabarett „Libretto Fatale“ stellt hier jedes Jahr wieder sein neues Programm vor.
Drei Jahre lang leistete sich das Moments mit „Who's Uncle Mo?“ sogar so etwas wie eine Hausband. Jeden Mittwochabend spielten Musiker aus der Bremer Jazzszene, meist angeleitet durch den Gitarristen Peter Apelt, in den verschiedensten Besetzungen und Stilen. Diesen Luxus kann sich Holger Mertins zurzeit nicht mehr leisten.
Er zahlte den „Who's Uncle Mo?“-MusikerInnen 500 Mark Gage pro Auftritt, egal, wie voll der Laden war: „Ich haben dabei viel Geld verloren. Ohne Sponsoren kommt man mit Bremer Bands einfach nicht auf seine Kosten.“ Seit einiger Zeit spielt „Uncle Mo“ jetzt im Lagerhaus, und solche Geschichten von finanziellen Engpässen machen natürlich schnell die Runde im Viertel.
Den Gerüchten, er stehe kurz vor der Pleite, widerspricht Mertins energisch: „Jetzt geht es gerade wieder langsam besser, die Konzerte werden besser besucht, und mit Sparkasse in Concert habe ich einen guten Veranstalter für mindestens einen großen Auftritt pro Monat. Ich glaube, das „Moments wird langfristig auch davon profitieren, dass das KITO seine Konzertreihe so radikal dezimiert hat.“
Um ein Manko des „Moments“ weiß er allerdings selber: Mertins kann besser Konzerte organisieren als eine Bar. Deshalb sucht er noch „einen guten Gastronomen und jemanden, der gute Cocktails mixen kann“. Stellenausschreibungen zum Jubiläum: Wenn das kein gutes Zeichen ist. Wilfried Hippen
Zur Jubiläumsfeier mit anschließender Cuba-Disco am Freitag werden ab 20 Uhr der Saxophonist Frank Mead, einige Uncle Mo's, Überraschungsgäste und die Juristenkabarettisten erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen