piwik no script img

Beamtenstatus macht die Pauker frustig

Der Dortmunder Schulforscher Karl-Oswald Bauer weiß, warum Lehrer so überfordert und resigniert sind: Weil sie das Beamtenrecht lähmt. Die Staatsdiener-Lobby dagegen sieht Beamte als ruhende Felsen in gesellschaftlicher Brandung

BERLIN taz ■ Autoritätsverlust, steigende Arbeitsbelastung, Gewalt an der Schule – Axel Schwarze bekommt so einiges zu hören. In den vergangenen Jahren suchen den Supervisor aus Essen immer häufiger Lehrer auf, die sagen: Ich kann nicht mehr. „In nahezu jedem Kollegium gibt es Lehrer“, erzählt Schwarze, „die ausgebrannt sind.“ Zwei Drittel der Lehrer, die in Pension gehen, sind inzwischen solche, die vorzeitig den Dienst quittieren – weil sie keine Lust mehr haben.

Eine Studie des Potsdamer Psychologieprofessors Uwe Schaarschmidt bestätigt, dass Lehrer ein echter Problemfall sind. Schaarschmidt hat das Burn-Out-Risiko von Lehrern mit dem von Krankenpflegern, Managern und Feuerwehrleuten verglichen. Ergebnis: Wer an einer Schule unterrichtet, ist mit den Nerven doppelt so schnell runter wie stressgeplagte Vergleichsgruppen.

Karl-Oswald Bauer vom Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung hat für dieses lange bekannte Problem eine überraschende Erklärung parat: Die Lehrer leiden unter ihrem Status als Beamte. Daher will Bauer an dem Tabu rütteln, dass Lehrer unbedingt Beamte sein müssen. Das wachsende Gefühl der Überforderung und Resignation bei Lehrern sei strukturell bedingt. „Viel zu ungerecht, viel zu kompliziert“, findet Bauer das Beamtenrecht.

Auszeit macht fröhlich

Bauer empfiehlt gegen Schulfrust Auszeiten, notfalls mehrjährige. „Das Beamtenrecht aber macht es schwer bis unmöglich, einige Jahre zu pausieren.“ Dabei käme ein Lehrer, der einige Jahre außerhalb der Schule gejobbt habe, nicht nur entspannter, sondern auch mit neuen Erfahrungen zurück. Die Lösung des Problems sieht Bauer in einem Wechsel des Dienstrechts. Mit Lehrern, die Angestellte sind, ließen sich bessere Arbeitszeitmodelle verwirklichen. Mit verbeamteten Lehrern aber sind flexible Modell kaum zu machen.

Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Ludwig Eckinger, ist da ganz anderer Meinung. Eckingers Lobbygruppe gehört zum Beamtenbund, und der hält die Verbeamtung von Lehrern für unverzichtbar.

„Die Ideen sind gar nicht umsetzbar“, kritisiert er Bauers Vorschläge. Er habe Lehrerinnen erlebt, die sich schon nach ihrem Babyjahr nicht mehr an der Schule zurechtgefunden haben. „Wie soll das erst laufen, wenn die Kollegen sechs Jahre woanders gearbeitet haben“, fragt sich Eckinger. Auch sein Argument für das Beamtentum bei Lehrern ist überraschend: Gerade in einer ständig flexibler werdenden Gesellschaft seien die unkündbaren Beamte unverzichtbar.

Eckinger sieht die hohe Frustrate bei Lehrern – er will ihr aber anders beikommen. Zum Beispiel durch gezieltere Auswahl der Junglehrer, die so genannten Lehramtsanwärter. „Ein hoher Prozentsatz der Berufsanfänger ist den Anforderungen von vornherein nicht gewachsen“, assistiert ihm der Psychologieprofessor Schaarschmidt. Der Verband Erziehung und Bildung, der Schaarschmidts Untersuchung finanzierte, fordert deshalb intensive Auswahlgespräche fürs Studium und einen Eignungstest. „Ich will auf die Frage: ‚Warum sind Sie Lehrer geworden?‘, nicht länger hören: ‚Weil ich es nicht zum Theologen geschafft habe‘ “, poltert Eckinger.

Sein Antipode Bauer sieht noch eine weitere Ursache für den Frust an Schulen. Lehrer machten immer noch wenig Gruppenarbeit. „Der Frontalunterricht langweilt die Schüler“, sagt Bauer, „und zehrt die Lehrer am stärksten aus.“ Interessanterweise widerspricht ihm da der Psychologe Schaarschmidt gar nicht: Der durchschnittliche Lehrer sei nicht teamfähig, meint er: „Lehrer sind Einzelkämpfer – und leiden darunter.“

RALF GEISSLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen