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Brandanschlag verschleiert

Unbekannte legten Feuer an Wandsbeker Flüchtlingsheim. Polizei und Bezirksamt verschwiegen „die kleine Geschichte“  ■ Von Heike Dierbach

In der Nacht vom 5. auf den 6. November haben Unbekannte an einem neuen, noch unbewohnten Flüchtlingsheim in der Wandsbeker Friedastraße Feuer gelegt. Polizei und Bezirksamt verschwiegen den Anschlag. Weder die Medien wurden informiert noch die Bezirksfraktionen oder der „Runde Tisch“, der den Austausch zwischen Nachbarn und Flüchtlingen fördern will.

Das Heim liegt in einer umgebauten Schule in einer Wohnstraße. Bei seiner Planung im Frühling hatte die Bezirksfraktion der DVU Stimmung dagegen gemacht. In einem Flugblatt heißt es, die Asylbewerber würden das Wohngebiet „bald in ein multikulturelles Zentrum verwandeln“. Das Viertel werde „überfremdet“, „kriminelle Ausländer beherrschen die Straße, Drogenspritzen auf dem Kinderspielplatz, Grundstückspreise sinken dramatisch“. Darunter der Aufruf: „Bürger, wehrt Euch!“

Am Morgen des 6. November entdeckten Handwerker den Brandsatz an der Außenwand des Heims, eine mit Benzin gefüllte Dose, gezündet mit einer Wunderkerze. Gebrannt hat es nach Polizeiangaben an der Außenwand und in einem Kellerschacht nur wenig. Das Feuer erlosch von selbst, es entstand geringer Sachschaden.

Deshalb habe man den Vorfall auch nicht an die Presse gemeldet, sagt Polizeisprecher Burkhard Rosenberg: „Das war eine kleine Geschichte. Und das Gebäude war ja nicht bewohnt.“ Zwar habe das LKA 8 – Sachgebiet Rechtsextremismus – Ermittlungen aufgenommen, diese aber inzwischen schon wieder eingestellt, weil es keine Hinweise auf die Täter gebe: „Das kann alles sein.“ So sieht das auch der für das Heim zuständige Jugend- und Sozialdezernent in Wandsbek, Volker de Vries. Er argumentiert, durch eine Veröffent-lichung „macht man doch erst welche darauf aufmerksam, dass da so eine Einrichtung ist.“ Einen Zusammenhang mit den DVU-Flugblättern sieht er nicht.

„Das ist die falsche Politik“, empört sich Brigitte Ziehlke, Vorsitzende der Regenbogen-Bezirksfraktion, die den Vorfall öffentlich machte. Man dürfe die Sache nicht einfach unter den Teppich kehren: „Wenn dann etwas Schlimmeres passiert, ist die Betroffenheit wieder groß, und alle haben von nix gewusst.“ Ziehlke kritisiert auch die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammelunterkünften wie in der Friedastraße, „denn da wissen Rechtsradikale, wo sie sie treffen können.“

In der kommenden Woche werden die ersten der rund 100 Flüchtlinge in das neue Heim einziehen. Die Polizei hat Schutzmaßnahmen ergriffen. Der Runde Tisch auch. Schon vor dem Anschlag war geplant: Wenn alle Flüchtlinge eingezogen sind, sollen sie mit einem Fest begrüßt werden.

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