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herr hefele kriegt zwei minutenALBERT HEFELE pinkelt ins Weihwasserbecken

Die Neandertalerin in uns allen

Rätsel Weib. Die Meinige interessiert sich seit neuestem für das Boxen, obwohl sie ansonsten nicht fürs Grobe ist. Verstehen Sie mich recht, sie interessiert sich nicht etwa auf einmal für die Sportart Boxen, sie interessiert sich – wie es halt Frauenart ist – in erster Linie für einige Protagonisten der Branche. Nun wäre sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Erste, die der urwüchsigen Ausstrahlung derer von „Gib ihm Schlag zwei, drei, das linke Auge rollt noch!“ erlegen wäre. Da können die Frauen noch so emanzipiert und kultiviert und „Wir sind nicht so“ tun, so sind sie eben doch. So sind wir alle. Mit einer Pobacke hocken wir noch auf den Bäumen, ob es uns gefällt oder nicht. Ob das nur schlimm ist, darüber könnte man einige Stunden streiten, ich finde, es hat durchaus seine faszinierenden Seiten. Finden Sie nicht? Also: Stehen wir zu dem Neandertaler in uns! Steht auch ihr zu der Neandertalerin in euch, Frauen! Zu der haarigen Schwester, die da hin und wieder überraschend die Keule schwingt! Wenn euch die Unberechenbarkeit von Mike Tyson oder Evander Holyfields Mischung aus religiöser Inbrunst und mühsam im Zaume gehaltenem Killerinstinkt kleine Schauer über den Rücken jagen, zum Beispiel. Stimmt’s ...?

Natürlich nicht, wer gibt das schon freiwillig zu? Meine jedenfalls nicht. Darum gefallen ihr die Gebrieder Klitschko so gut. Ein praktisches Pärchen. Obwohl beide mehr als genug „Dampf in den Fäusten“ haben, wirken sie richtig freundlich, sogar ausgesprochen harmlos. Wen sie auch immer durch den Ring prügeln, sie schmollen dem Torkelnden wie besorgt hinterher: „Hat das jetzt weh getan?“ Irgendwie kann man ihnen jedenfalls nicht böse sein, und das hat mit ihrer Haartracht zu tun – sagt jedenfalls die Meinige. Diese würde sie an die Kopfwolle von Kühen erinnern, und darum erschienen ihr die ukrainischen Brieder so knuffig. „So knuffig“, das waren ihre Worte. Rätsel Weib, wie gesagt. Dabei mag ich die Klitschkos auch. Sie haben einfach was zu bieten. Erstens als Boxer, die können schon hinlangen, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und zweitens ist die Show nach dem Kampf noch nicht vorbei, weil die rüstigen Ukrainer dann immer und unverzichtbar ihre Statements abgeben, und das irrwitzige Geplapper der ukrainischen Teddybären ist für sich genommen schon das Eintrittsgeld wert. Ein Crash-Kurs in Pidgin-Deutsch und Ukraino-Suaheli. Rätselhaft zusammengehauene Worthaufen, die man nicht verstehen, nur anhand der großäugig und großzügig gebotenen Mimik erahnen kann. Spannung mit anschließendem Ratespiel. Das ist vorbildlich, aus solchem Holz müssen die Heroen modernen Entertainments geschnitzt sein.

Ein schönes Scheibchen davon könnte sich der angeblich beste Torhüter der Welt, Oliver Kahn, abschneiden. Auch eine grauenhafte Frisur, aber die Haartracht ist nicht alles, und insgesamt ist der Unterhaltungswert des Münchner Nussknackers deutlich geringer. Nur beim Interview an die Decke glotzen, gilded nicht. Außerdem wirkt es borniert: „Ach Gott, was muss ich mich als bester Torhüter der Welt mit solchen Fragen abmühen ...“ So wirkt es. Apropos bester Torhüter der Welt: Wollen Sie nicht endlich an den hohen Bällen arbeiten, Herr Kahn! Wie – Sie verstehen nicht, was ich damit meine? Hohe Bälle, das sind Bälle, die hoch in den Strafraum, in die Nähe Ihres Fünf-Meter-Raumes kommen und die Sie mit der Faust wegbefördern oder einfach fangen sollten. Was mit diesen Bällen los sei? Solche Bälle bereiten Ihnen eklatante Probleme. Sie haben nämlich kein Timing bei solchen Bällen. Und das wissen Sie auch, denn oft genug stoppen Sie beim Herauslaufen ab, und das ist tödlich, wie Ihnen gerne jeder Schülertrainer bestätigen wird.

Im Ernst: Bin ich der Einzige, der so viel von Fußball versteht, dass er sieht, dass O. Kahn mit den hohen Bällen nicht zurecht kommt? Von zehn lässt er sechse fallen. Wetten? Oder darf man das nicht sagen? Ist das ein Sakrileg? Ist das wie ins Weihwasserbecken pinkeln? Gibt mir irgendjemand recht? Schreibt!

Autorenhinweis:Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut und schreibt über die fundamentalen Dinge des sportlichen Lebens

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