: Der Niedergang blieb aus
Naumanns letzte Tat: Die so genannte Ausländersteuer soll ab 2003 wieder gesenkt werden
von CHRISTIAN RATH
Kurz vor seinem Ausscheiden hat Kulturminister Michael Naumann noch einmal etwas bewegt. Die so genannte Ausländersteuer soll von derzeit 25 Prozent der Einnahmen auf 20 Prozent abgesenkt werden, das hat Naumann nun mit Finanzminister Hans Eichel vereinbart. Und damit man sich auch in Zukunft noch an ihn erinnert, wird die Wohltat erst im Jahr 2003 umgesetzt. Kulturlobbyisten wie der Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (idkv) hatten schon lange eine Senkung der Abgabe gefordert, die den Kulturbetrieb „unerträglich“ belaste.
Hinter der „Ausländersteuer“ verbirgt sich eigentlich nur die normale Einkommenssteuer, die bei ausländischen Künstlern (und Sportlern) pauschal erhoben wird. Derzeit müssen diese pauschal 25 Prozent ihrer in Deutschland erzielten Einnahmen (das heißt: Gage plus Spesen) an den Fiskus abführen. In der Praxis zahlt diese Steuer der Veranstalter, weil die Künstler in der Regel Netto-Gagen aushandeln. Bekommt eine Band also netto 4.000 Mark für ein Konzert, so muss der Veranstalter noch einmal 1.333 Mark (plus Solidaritätszuschlag) an den Fiskus abführen – eine Ausgabe, die bei einheimischen Künstlern so nicht anfallen würde. Kein Wunder, dass die Veranstalter schnell den etwas flapsigen Begriff „Ausländersteuer“ erfanden.
Heftige Proteste gab es gegen diese Regelung allerdings erst 1996, als die Kohl-Regierung den Steuersatz drastisch erhöhte, von 15 auf 25 Prozent. Offiziell richteten sich die Proteste nur gegen die Anhebung, und tatsächlich rührt die Hauptbelastung vieler kleiner Clubs und Konzertschuppen eher daher, dass sie bis Mitte der 90er-Jahre die Steuerpflicht einfach völlig ignoriert hatten. Dann aber machte gerade die aufgeregte Diskussion um die Steuererhöhung auch viele Finanzämter misstrauisch. Und prominente Prozesse um die Steuertricks von Konzertveranstaltern wie Marcel Avram (Mama Concerts) und Matthias Hoffmann („Drei Tenöre“) steigerten die Wachsamkeit der Fiskalbehörden.
Seitdem malen die Konzertveranstalter Horrorszenarien über den Niedergang des Kulturstandorts Deutschland an die Wand. So habe sich die Verpflichtung ausländischer Künstler seit 1996 „teilweise drastisch reduziert“, klagte der idkv in diesem Frühjahr in einem Appell an alle Bundestagsabgeordneten. Über konkrete Zahlen verfügt der Verband der Konzertveranstalter jedoch nicht. In Wirklichkeit ist Deutschland, allen Unkenrufen zum Trotz, in den letzten vier Jahren nicht zum weißen Fleck auf der internationalen Kulturlandkarte geworden, teilweise gibt es auch Wege, sich von der Ausländersteuer befreien zu lassen. So sichert der seit 1983 geltende „Kulturorchestererlass“ Steuerfreiheit, wenn das Gastspiel zu mehr als einem Drittel aus deutschen oder ausländischen öffentlichen Mitteln subventioniert wird. Ansonsten lavierte man sich eben durch. Mal ist die Gage etwas niedriger als früher, mal der Eintritt etwas höher, mal schießt die Plattenfirma etwas zu, mal auch das Heimatland des Künstlers. Da Deutschland der drittgrößte Musikmarkt der Welt ist, wollen die meisten Künstler hier Präsenz zeigen.
Die Kohl-Regierung hatte auf die Proteste der Kulturszene nur mit einem 1997 schnell nachgeschobenen Erstattungsverfahren reagiert. Hiervon profitierten allerdings nur Großverdiener à la Michael Jackson, deren Tourneegeschäft mit Hilfe von Anwälten und Steuerberatern organisiert wird. Eine Senkung des Steuersatzes um 5 Prozent wird dagegen allen gut tun: Die Gagen können etwas steigen, die Eintrittspreise etwas sinken, und die Finanzlage der Veranstalter dürfte sich etwas entspannen – je nach Kalkulation und Verhandlungsgeschick der Beteiligten. Große Wunder sind allerdings nicht zu erwarten. Denn eine Rückkehr zum alten Laisser-faire, als die Steuer meist gar nicht erhoben wurde, ist nicht zu erwarten.
Erstaunlich ist, dass sich überhaupt etwas bewegt hat. Die Steuererhöhung von 1996 wurde schließlich nicht in erster Linie eingeführt, um höhere Steuereinkünfte zu erzielen. Vielmehr sollten vor allem inländische Sportler und Künstler an der Steuerflucht ins Ausland gehindert werden. Fußballprofis vom 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach sowie Prominente wie Margarete Schreinemakers hatten ihren Wohnsitz nach Belgien verlegt, um vom günstigen Pauschalsteuersatz in Höhe von damals 15 Prozent auf ihre Einnahmen zu profitieren. Eine Rückkehr zu diesen Zeiten wollte Eichel auf jeden Fall verhindern.
Der Grund für das jetzige Entgegenkommen ist daher eher banal: Weil der deutsche Spitzensteuersatz bis zum Jahr 2003 im Rahmen der Steuerreform auf 47 Prozent gesenkt wird, könne dann auch die Besteuerung ausländischer Künstler „angepasst“ werden, so das Finanzministerium in einem Schreiben an den FDP-Abgeordneten Ernst Burgbacher. Ein explizites Zugeständnis an die Kulturszene hat Eichel also gar nicht gemacht. Aber ohne Naumanns Bohren wäre vermutlich selbst diese Anpassung nicht möglich gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen