Die CDU pendelt noch

CDU-Landeschef Eberhard Diepgen lehnt die geplante Entfernungspauschale ab.In Brandenburg ist die Union jedoch dafür. SPD und Grüne kritisieren Regierenden

Berliner und Brandenburger können laut einer Umfrage nach wie vor wenig miteinander anfangen. Nun steht der nächste handfeste Konflikt ins gemeinsame Haus: die Entfernungspauschale. Der Berliner CDU-Chef Eberhard Diepgen lehnt die von der Bundesregierung geplante Neuregelung steuerlicher Absetzbarkeit von Wegen zum Arbeitsplatz schlichtweg ab. Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schöhnbohm deutet hingegen eine Zustimmung an. So könnten denn die großen Koalitionen in Berlin und Potsdam im Bundesrat unterschiedlich votieren: Berlin enthält sich, Brandenburg stimmt zu.

Nach den Plänen der rot-grünen Bundesregierung soll die Entfernungspauschale für die einfache Strecke von der Wohnung zum Arbeitsplatz für alle Berufspendler eingeführt werden: 70 Pfennig jeweils für die ersten zehn Kilometer und 80 Pfennig vom elften Kilometer an. Die Entfernungspauschale löst die bisherigen Kilometerpauschalen ab, die für Autofahrer derzeit 70 Pfennig, für Motorradfahrer 33 Pfennig und für Fahrradfahrer 14 Pfennig ausmachen. Die neue Pauschale gilt darüber hinaus für die Benutzer von Bussen und Bahnen, die bisher nur ihre Fahrkarten als Werbungskosten von der Steuerbemessungsgrundlage abziehen konnten.

Hintergrund des Streits zwischen Potsdamer und Berliner Christdemokraten sind unter anderem mehr als 200.000 Berufspendler, die täglich aus dem Umland nach Berlin zur Arbeit fahren. Ein erklecklicher Teil davon sind ehemalige Berliner. Diepgen fürchtet, dass durch die neue Entfernungspauschale der Trend zur Stadtflucht beschleunigt wird. Mit der Entfernungspauschale würden ausgerechnet die Bewohner der teuren Innenstädte denjenigen die Fahrtkosten bezahlen, die preiswert auf dem Lande wohnten, so Diepgen.

Schönbohm sieht den Fall anders. Ohne die rot-grüne Ökosteuer wäre die Entfernungspauschale zwar unnötig. Wenn die aber nicht verhindert werden könne, sei es problematisch, die Ablehnung der Entfernungspauschale zu begründen. Brandenburg sei ein Flächenland mit vielen Fernpendlern und geringem Lohnniveau. Hier sei ein Ausgleich für die hohen Treibstoffkosten besonders wichtig. Was Schönbohm nicht sagt: Brandenburg profitiert von der Stadtflucht aus Berlin: Jeder, der sich im Umland ein Häuschen kauft, ist ein neuer willkommener Steuerzahler.

Zwar sei die Gefahr der Zersiedelung gegeben, betont Christian Gaebler, verkehrspolitischer Sprecher der Berliner SPD-Fraktion. Schließlich würden weite Arbeitswege steuerlich sogar noch mehr gefördert als kurze. Dennoch schaffe die neue Regelung ein Stück Gerechtigkeit. Erstmals würden Auto- und Bahnfahrer gleich behandelt. Davon würden auch viele Berliner Benutzer des öffentlichen Personennahverkehrs profitieren. „Diepgen muss überlegen, ob er die vor den Kopf stoßen will.“

In die gleiche Kerbe schlägt der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer. Von der Neureglung könnten endlich auch jene Berliner profitieren, die sich ökologisch verhalten und nicht Auto fahren.

Der Regierende Bürgermeister sieht hingegen Mindereinnahmen in Höhe von rund 30 Millionen Mark auf den Berliner Haushalt zukommen. Eine Kompensation durch den Bund sei jedoch, anders als bei den Flächenländern, nicht vorgesehen. Eine Einigung wie bei der Steuerreform hält Diepgen nicht für möglich: „Im Fall der Entfernungspauschale sehe ich nicht, dass noch Veränderungen zu unseren Gunsten durchgesetzt werden können.“ Bei der Abstimmung zur Steuerreform im Juli dieses Jahres war Diepgen aus der Front der CDU-geführten Bundesländer ausgeschieden. Im Gegenzug hatte der Bund Berlin weitreichende finanzielle Zugeständnisse gemacht.

Sein Abstimmungsverhalten legt der Senat auf seiner Sitzung am 19. Dezember fest, zwei Tage vor der Entscheidung im Bundesrat. Am gleichen Tag will auch die SPD/CDU-Koalition in Brandenburg ihre Abstimmungsentscheidung treffen. Eine Stimmenthaltung wirkt im Bundesrat wie eine Ablehnung, weil ein Gesetz nur durchkommt, wenn eine Mehrheit aller Stimmen in der Länderkammer dafür votiert.

RICHARD ROTHER