piwik no script img

Zwölf Störungen der Nachtruhe zuviel

■ Vereinigung der Flughafen-Anwohner kritisiert fehlende Rücksicht auf die Bevölkerung beim Ausbau des Stadtflughafens

Die „Vereinigung zum Schutz der Flugverkehrsgeschädigten“ (VSF) hat die Antworten des Senats auf detailierte Fragen der CDU und der Grünen zum Flughafen untersucht und kommt dabei zu bemerkenswerten Ergebnissen. In der gesetzlich besonders geschützten Nachtzeit zwischen 22 und 6 Uhr morgens ist die Anzahl der Starts und Landungen von 1998 auf 1999 um acht Prozent auf 2.164 Flugbewegungen gestiegen. Für die Zeit vor 1998 liegen dem Senat keine Zahlen vor. Das bedeutet, dass rein statistisch gesehen im Jahresmittel 1999 jede Nacht sechs Starts oder Landungen stattfanden. Da werktags und auch im Sommer mehr Nacht-Flüge stattfinden, ist die wirkliche Verteilung über das Jahr nicht gleichmäßig: Werktags und im Sommer kann man von durchschnittlich zwölf Flugbewegungen in der Phase des „Nachtflugverbotes“ ausgehen.

Bestimmte Maschinen dürfen in der Nachtruhezeit landen, andere brauchen eine Ausnahmegenehmigung. Wie der Senat die Bürgerschaft über die Hintergründe dieser Ausnahme-Regelungen informiert, macht die VSF am Beispiel deutlich: Für den 29.9.1998 listet der Senat eine Ausnahmegenehmigung für eine Boeing 737 auf, die erst um 22.59 Uhr abflog. Begründung in der Auskunft des Senats: „Die Fussballmannschaft aus Bergen.“ Solche Fussballmannschaften scheinen nach der Liste der Ausnahme-Regelungen das Kriterium „besonderes öffentliches Interesse“ sehr leicht zu erfüllen. Im Falle der Mannschaft aus Bergen, so hat die VSF in der offiziellen Liste der Luftaufsicht gefunden, lag folgendes „öffentliches“ Interesse für den verspäteten Start vor: „Die Fussballmannschaft kauft noch über 30 Minuten im Duty Free Shop ein. Nur eine Verkäuferin.“ Diese Begründung für eine Ausnahmegenehmigung verschweigt die Senatsantwort offenbar mit gutem Grund.

Ein anderes Beispiel: Die Luft-hansa-Maschine LH 176 von Frankfurt landet planmäßig um 22.20 Uhr in Bremen, jeden Tag. Da es im Luftraum jeden Tag zu Verspätungen kommt, gab es im Sommer 1999 für 31 Prozent der Fälle eine „Ausnahmegenehmigung“ für eine Landung nach 22.30 Uhr. Die Nachtruhe der Flughafen-Anwohner endet Flugplan-planmäßig morgens um sechs Uhr, würde also siebeneinhalb Stunden andauern, wenn „Ausnahmen“ wirklich Ausnahmen wären am Bremer Flughafen.

Die VSF fordert, eine achtstündige Nachtruhe festzuschreiben und für die Einhaltung schärfere Kriterien festzulegen, um die negativen Effekte des innerstädtischen Flughafens zu minimieren. Der wirtschaftliche Effekt des Flughafens sei damit zu sichern, da er im wesentlichen aus dem Linienverkehr resultiert. Die schwer beladenen Touristik-Flüge sind es, die besonders tief und laut über die Wohngebiete fliegen. Aber schon gegen Osnabrück-Münster, einen neu mit 3.600 Meter Startbahn ausgebauten Flughafen, kommt ein Stadtflughafen Bremen nicht mehr an: Dort können interkontinentale Großraumflugzeuge voll beladen in die Karibik starten. Bremen hat 2.034 Meter Startbahn.

Und da sind die 300 Meter „Verlängerung“ auf beiden Seiten, die nur genehmigt wurden, weil der Senat sich in einem Vertrag der betroffenen Nachbargemeinde Stuhr gegenüber verpflichtete, diese Bahn ausschließlich für die Transporte der Airbus-Flügel zu nutzen – „zur Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit der Beschlüsse des bremischen Senats.“

Da mit der Unterschrift des Bremer Häfensenators Uwe Beckmeyer dieser Vertrag 1999 gebrochen wurde, hat die VSF besonders aufgeschreckt reagiert, als bekannt wurde, dass die Flughafen-AG selbst ein Gutachten darüber in Auftrag gegeben hat, was eine volle Nutzung der Startbahn für die Anwohner bedeuten würde. Eine politische Verständigung der Koalition darüber, welchen Sinn das Gutachten angesichts des Stuhr-Vertrages hat, gibt es ebenso wenig wie eine Information der Betroffenen.

K.W.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen