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Aus dem Evangelium nach Barnabas:Judas starb am Kreuz

Ich, Barnabas, schreibe an gegen die Verwirrung in dieser Welt, die ein Werk des Feindes, des Satan, ist. Denn ich war Zeuge des Lebens und des Endes Jesu von Nazareth, jenes heiligen Mannes, den manche den Sohn Gottes nennen. Und sie meinen damit dem HERRN zu dienen. Doch ihre Lehre macht die Menschen stumpf für den, der einst wirklich kommen wird, wie es geweissagt ist. In jenen Tagen, da Jesus noch unter uns weilte, war eine große Sehnsucht nach dem Messias unter den Juden. Doch die Zeit, da die Schrift sich erfüllen sollte, war noch nicht gekommen. Und der Mann Jesus predigte Geduld und wirkte Zeichen und Wunder, um die Menschen vorzubereiten auf den Tag, an dem der wahre Gesandte kommen sollte. Es kamen zu Jesus jedoch solche, die ihn den nannten, dessen Ankunft die Schrift verkündet. Und immer wieder wies der heilige Mann sie sanft zurecht. Aber die Kräfte Satans zogen umher und verleumdeten Jesus seiner Wunder wegen und behaupteten, er nenne sich selbst Messias. Da waren die Priester und Schriftgelehrten erzürnt und der Hohe Rat gab den Befehl, Jesus zu ergreifen. Und sie brachten ihn vor den Hohenpriester, und Jesus stärkte sich durch ein Gebet zu Gott dem HERRN.

Jesus spricht mit dem Hohenpriester. Und als er sein Gebet vollendet hatte, fragte ihn der Hohepriester Kaiphas mit lauter Stimme: Sag an, Jesus, um des Friedens unseres Volkes willen: wer bist du? Und Jesus antwortete ihm: Ich bin Jesus von Nazareth, der Sohn des Josephs und der Maria, aus dem Hause David. Ein Sterblicher bin ich wie du und fürchte Gott den HERRN und diene seiner Ehre und seinem Ruhm. Und der Hohepriester sprach: In den Büchern des Mose steht geschrieben, dass Gott der HERR einst den Messias senden wird. Und der da kommen soll, wird die Wahrheit verkünden und Gnade bringen. Darum frage ich dich: Bist du der Messias, den wir erwarten? Und Jesus antwortete ihm und sprach: Wahrlich, so steht es geschrieben, doch ich bin nicht der, welchen der HERR verheißen hat, denn er wurde lange vor meiner Zeit geschaffen. Da sprach der Hohepriester: Aus allen Wundern und Zeichen, die du getan hast, wissen wir, dass du ein Prophet bist und ein Erwählter des HERRN. Darum beschwöre ich dich im Namen des HERRN, uns zu verkünden, wann und wie der Messias kommen wird. Da antwortete ihm Jesus: Im Namen des HERRN sage ich dir abermals: Ich bin nicht der Messias, auf den die Völker der Erde warten und den Gott, der HERR dem Abraham prophezeite. (...) Und Judas, der Verräter, kam zu dem Haus, darin Jesus und die Seinen wohnten. Und als er Stimmen hörte, ging er in den Raum, wo die Schüler Jesu schliefen. Gerade zu dieser Zeit sah Gott der HERR in seiner Gnade die Verzweiflung seines Dieners Jesus und sandte seine Engel Gabriel und Michael und Rafael und Azrael, dass sie ihn von dieser Erde wegbrächten. Und die Engel eilten herbei und nahmen ihn auf und trugen ihn durch das Fenster, das nach Süden blickt, und brachten ihn in den dritten Himmel. Und an dem Platz wird er weilen und Gott preisen in der Gesellschaft der Engel bis ans Ende der Tage.

Judas aber legte sich an den Ort, da Jesus geruht hatte. Und Gott der HERR wirkte ein Wunder und gab Judas das Aussehen und die Sprache des Jesus. Da wir nun erwachten, meinten wir, er sei unser Meister, und fragten ihn: Herr, wen suchst du? Und jener sprach: Mir scheint, ihr seid nicht bei Sinnen und erkennt mich nicht, mich, den Judas Ischariot. Und es betraten Soldaten den Raum, und da sie Judas sahen, der dem Meister gleich sah, legten sie Hand an ihn und fesselten ihn. Da jammerte der Verräter Judas, dass er nicht Jesus sei, und wahrlich, dies sagte er zu Recht. Doch die Soldaten verspotteten ihn und sprachen: Herr fürchte dich nicht, denn wir sind gekommen, um dich zum König von Israel zu krönen! Und wir haben dich gebunden, weil du dein Königtum zurückgewiesen hast. Da schrie Judas: Verrückt seid ihr! Ich bin gekommen, um euch Jesus zu zeigen, auf dass ihr ihn ergreift; doch ihr habt mich gefesselt, der ich doch auf eurer Seite stehe. Da wurden die Soldaten ungeduldig und schlugen und stießen ihn und schleppten ihn nach Jerusalem. Und sie brachten ihn auf den Kalvarienberg, wo die Verbrecher hingerichtet werden. Dort nahmen sie ihm seine Kleider, um ihm zu schmähen, und kreuzigten ihn. Er aber rief zum Himmel: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Unschuldig sterbe ich und der wahre Übeltäter ist entkommen.

Die Wiederkehr Jesu.

Am dritten Tage aber begaben sich die Engel, die Maria geleiteten, in den Himmel und erzählten Jesus, was geschehen war. Und er erbarmte sich seiner Mutter und flehte Gott an, ihn auf die Erde zu seinen Schülern zu lassen. Da hatte auch Gott Erbarmen und hieß seine Lieblingsengel, den Meister zur Erde und in sein Haus zu geleiten. Drei Tage sollte er auf der Erde weilen, doch hatten die Engel Befehl, dass nur jene ihn sehen sollten, die an seine Lehre glaubten. Und so stieg der Meister vom Himmel herab im Strahlenkranz und betrat das Haus der Jungfrau. Dort aber weilten Martha und Maria und Lazarus und Johannes und Jakobus und Petrus und der dies geschrieben hat. Und als wir den Meister sahen, fielen wir mit den Gesichtern wie tot zu Boden. Da hob uns Jesus auf und sagte: Fürchtet euch nicht, denn ich bin bei euch! Hört auf zu weinen, denn ich lebe! (...) Denn ich trage keine Schuld daran, dass mich die Menschen den Sohn Gottes und Gott nennen. Und dennoch wird mir durch den Tod des Judas dieser Spott auf der Erde anhaften, und erst die Ankunft Mohammeds, des wahren Boten Gottes, wird dem ein Ende machen. Denn erst Mohammed wird den Gläubigen die Augen öffnen. Wahrlich, HERR, du bist gerecht und Ruhm und Ehre gebühren nur dir. Und weiter sprach der Meister zu mir: Du aber, Barnabas, gehe hin und schreibe ein Evangelium, in dem du alles berichtest, was mir auf Erden widerfahren ist, auf dass den Gerechten die Augen geöffnet werden. Und ich antwortete dem Meister: O Jesus, ich will tun, was du mir aufgetragen hast im Namen des HERRN; doch ich habe nicht alles gesehen, was mit Judas Ischariot geschehen ist. Da antwortete mir Jesus und sprach: Hier stehen Petrus und Johannes, die alles gesehen haben und dir getreulich berichten werden. (...) Euer Meister nimmt jetzt Abschied von euch und empfiehlt euch Gott, dem HERRN! Möge er euch beistehen! Und mit diesen Worten verschwand er mit allen seinen Engeln und ließ uns verwirrt und traurig zurück. Amen.

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