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Hirnlose BSE-Politik: Rinderhirne blieben ungetestet

Schwere Vorwürfe der EU gegen BSE-Untersuchungen in Bayern: Nur wenige der verdächtigen Rinder wurden tatsächlich auch untersucht

KEMPTEN taz ■ „Wer ist 2001 bayerischer Landwirtschaftsminister und wer Sozialminister?“ Diese Frage ist bei bayerischen Bauern derzeit recht beliebt. Die beiden Ressortchefs Josef Miller und Barbara Stamm sind das nicht mehr – beliebt. Nicht nur der bayerische SPD-Chef Franz Maget fordert angesichts einer schier unglaublichen Serie von Schlampereien im Umgang mit BSE den Rücktritt der beiden Minister, auch immer mehr Bauern tun dies. Die CSU-Stammklientel fühlt sich durch die bayerische BSE-Politik verschaukelt und allein gelassen werden.

„Ich bin doch nicht nur Erzeuger, sondern auch Verbraucher“, sagt der Oberallgäuer Landwirt Romuald Schaber. „Ich habe eine große Familie mit fünf Kindern, was glauben denn Sie, wir sind doch genauso verunsichert wie die Menschen um uns herum.“ Und dann wird der Milchbauer, der wie 729 weitere Landwirte im „Krisenstab e.V.“ aktiv ist, ganz deutlich: „Für mich ist das Ganze mehr als dubios. Ich kann nur nochmals sagen, wenn es wirklich so drastisch ist, wie sich das hier andeutet, müssen Konsequenzen gezogen werden.“

Mit „so drastisch“ meint Milchbauer Schaber die massive Kritik am bayerischen Kontrollsystem, das EU-Experten aus Dublin in ihrem Bericht „Draft Report of a veterinary mission to Germany“ zusammengefasst haben. Drei Viertel der geprüften Futtermittelproben in Bayern enthielten widerrechtlich Tiermehl, stellte die Kommission fest, darüber hinaus wird eine schier unglaubliche Schlamperei im Landesuntersuchungsamt Südbayern in Unterschleißheim aufgedeckt. So wurden beispielsweise 1998 214 Hirnproben an das Amt geschickt, davon waren 158 Proben von neurologisch auffälligen, also BSE-verdächtigen Rindern. Nur 24 (!) davon wurden tatsächlich auf BSE getestet, die anderen einfach beseitigt. Ein Jahr später kamen von 110 verdächtigen Hirnen nur 21 zum BSE-Test. Die vorgeschriebenen Kontrollen bei zu inspizierenden Betrieben wurden teilweise nicht durchgeführt. Nur zwei der bayerischen Futterfabriken verfügen über getrennte Produktionslinien. Und so geht das weiter, Seite für Seite.

„Wir Bauern sind die Betroffenen, und wenn man jetzt hört, dass in Bayern so sehr geschlampt wurde, dann drängt sich einem doch der Verdacht auf, dass vielleicht nicht nur gepfuscht wurde“. War es womöglich nicht nur Unfähigkeit, sondern Vorsatz, weil man nicht sehen wollte, was wirklich Sache ist, fragen sich die Landwirte.

Die bayerische SPD hat die Stimmung bei den Bauern offenbar erkannt. „Jahrelang haben Ministerpräsident Stoiber, die Minister Stamm und Miller Blindekuh gespielt und die Bevölkerung in unverantwortlicher Weise einem enormen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt.“ Die beiden Ressortchefs müssten umgehend zurücktreten. Doch Barbara Stamm wies diese Forderung gestern zurück und blamierte sich dabei in München mit der Bemerkung, der besagte EU-Bericht liege ihr in der Endfassung noch gar nicht vor, sie habe davon zuvor nichts gewusst und außerdem sei das Schreiben in englischer Sprache verfasst. Bayern habe im Gegenteil das „Soll im Rahmen der Überwachung“ mehr als erfüllt.

Ganz trocken erklärte dazu die EU-Kommission, die festgestellten Versäumnisse bei der Bekämpfung von BSE seien den deutschen Behörden seit Ende September bereits bekannt. Und tatsächlich hat ja auch der bayerische Landtag darüber schon debattiert, wenngleich sich im September das öffentliche Interesse an BSE in Grenzen hielt.

Schon heißt es in Bayern, auch Ministerpräsident Edmund Stoiber müsse aufpassen, nicht in den BSE-Strudel gezogen zu werden. Der Landesvater kündigte gestern an, heute den von einem BSE-Fall betroffenen Bauernhof im oberpfälzischen Landkreis Cham besuchen zu wollen. Auch ins Allgäu will Stoiber reisen. Freilich wird längst darüber spekuliert, auf welchem Tablett der CSU-Chef die Köpfe der beiden Minister präsentieren wird. Denn dass Stoiber sich sehenden Auges mit in den Sumpf ziehen lässt, ist nicht zu erwarten.

Wie berichtet hatten am Donnerstag bereits die Mitglieder des „Krisenstabes“ Strafanzeige gegen das Landwirtschafts- und das Sozialministerium sowie gegen unbekannt erstattet. Genau dies hat inzwischen auch der Sulzberger Landwirt getan, dessen 84 Tiere in der Nacht zum Freitag abgeholt und noch in der gleichen Nacht in der Tierkörperbeseitigungsanstalt Kraftisried beseitigt wurden. Man habe die Aktion in die Nacht gelegt, um den Verkehr durch die Transporte nicht zu sehr zu behindern, hieß es im zuständigen Landratsamt. Die Grünen im bayerischen Landtag überlegen derweil laut, ob sie nicht einen Untersuchungsausschuss zu den Schlampereien im Umgang mit BSE in Bayern beantragen wollen. KLAUS WITTMANN

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