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Kalmücke mit Oberwasser

Der Erfolg seiner K.o.-WM mit dem glanzvollen Gewinner Viswanathan Anand bringt Kirsan Iljumschinow und seinem Weltverband Fide weitere Vorteile im Streit mit Ex-Champ Garri Kasparow

von HARTMUT METZ

Der „Hexer von Riga“ brannte ein letztes Feuerwerk ab. Doch am Ende erstrahlte erneut nur Viswanathan Anand im Lichterglanz. Als erster Schach-Weltmeister seit Wilhelm Steinitz 1886 gewann der Inder in einem Finale drei Partien in Folge und sicherte sich mit einem 3,5:0,5 über Alexej Schirow (Spanien) vorzeitig in Teheran die höchste Krone. Der 31-Jährige ist der erste Asiate auf dem Thron des Schach-Weltverbandes Fide und nach dem zweiten Weltkrieg der erst zweite Champion nach Bobby Fischer (1972), der nicht aus der Sowjetunion beziehungsweise Russland stammt.

Bei seiner Rückkehr am Freitag erwarten den „Tiger von Madras“ in Neu Delhi zahlreiche Ehrungen: Seine Heimatstadt, die mittlerweile Chennai heißt, versprach ihm eine große Parade. Nach dem Gewinn des „Grand Slams“ 2000 mit Siegen bei der Blitzschach-WM in Warschau, im Schnellschach-„Wimbledon“ in Frankfurt, dem Erfolg beim Worldcup in China sowie als 15. Schach-Weltmeister der Fide wird Anand auch zweifellos zum zweiten Mal zum Sportler des Jahres auf dem Subkontinent gewählt. Schach hängte bereits Hockey in der Gunst des Milliarden-Volkes ab, die letzten beiden Hürden, sind nun Cricket und Tennis. Der indische Fide-Vizepräsident Ummer Koya sieht durch Anands Titel eine neue „goldene Ära“ eingeleitet, die an der Geburtsstätte des königlichen Spiels zu einer „großen Explosion“ bei abermillionen Talenten und künftigen Weltmeistern führe.

Auf dem Brett in der iranischen Hauptstadt explodierte jedoch nur einer: Alexej Schirow. Nachdem der für Spanien spielende Lette die zweite von maximal sechs Partien verloren hatte, spielte der Weltranglistensechste bereits in der dritten Begegnung Harakiri. Doch auch dort perlte nach 41 Zügen seine Attacke an Anand ab. Dem 28-Jährigen bleibt als Trost seine bisher höchste Börse, rund 700.000 Mark Preisgeld. Anand, der 1,1 Millionen Mark erhält, gestand erleichtert, „das Match, zumindest eine Partie, hätte auch anders ausgehen können. Alexej pflegt einen sehr, sehr scharfen Stil“.

Für Schirow war „nach der zweiten Partie das Duell vorbei“, in der der Unterlegene ein Remis verpasste. Wegen seiner 16 Spieltage hintereinander beim ersten Teil der WM in Neu Delhi klagte der Spitzenspieler von Bundesliga-Tabellenführer Lübecker SV über eine „zu kurze Erholungsphase von lediglich vier Ruhetagen“. Dass der 31-jährige Anand, der in 20 Partien ungeschlagen blieb und acht davon gewann, verdient Weltmeister wurde, steht für Schirow aber außer Frage. „Anand ist ein Spieler, gegen den man auch ohne Müdigkeit verlieren kann. Er befand sich in sehr guter Form.“

In der Januar-Weltrangliste rückt Anand Garri Kasparow und Wladimir Kramnik (beide Russland) auf die Pelle. Über ein Vereinigungsmatch gegen den Braingames-Weltmeister Kramnik, der im Oktober Kasparow entthront hatte, verschwendete der Inder nach seinem Triumph vorerst keinen Gedanken. „Damit plage ich mich später“, ulkte der Fide-Champion. Sein Trainer Elisbar Ubilawa stellte klar: „Dass Kramnik die Nummer eins, Kasparow, schlug, bedeutet einen gewaltigen Fortschritt. Ein WM-Match war das jedoch keines.“

In dieselbe Kerbe schlug Kirsan Iljumschinow. Je mehr Kasparow ins Abseits geriet, desto größeres Oberwasser bekommt der Fide-Präsident. Kramnik habe sich nie selbst als Weltmeister bezeichnet. Folglich könne es auch kein Vereinigungsmatch geben. Höchstens eines ums „Prestige“. Schließlich könne ansonsten jeder der Fide, die 159 nationale Verbände vertrete, die WM streitig machen. „Morgen organisiert Pizza Hut eine WM, dann McDonald‘s und am Schluss wirft Bill Gates mit seinem Geld um sich“, tönte das Staatsoberhaupt Kalmückiens vollmundig.

Die Fide will nicht nur ab Januar die Bedenkzeit in Turnierpartien weiter verkürzen, sondern erwägt auch einen neuen WM-Modus. Anstatt der 100 Teilnehmer sollen künftig in vier Wettbewerben die acht Besten ermittelt werden, die dann um den Titel denken. „Kramnik erhält dafür selbstverständlich eine Einladung“, jubiliert Iljumschinow – und würdigt den isolierten Kasparow keines Wortes. Der lechzt derweil in Moskau nach Revanche. Ab 12. Januar treffen sich alle Protagonisten beim Topturnier im niederländischen Wijk aan Zee wieder.

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