: Öko-Äxte im eigenen Wald
Ein Drittel der Brandenburger Wälder wird derzeit privatisiert. Der Verein BürgerLand e. V. will die Chance nutzen, um bei Belzig einen Kiefernwald in ein rentables Ökosystem umzuwandeln. Bis 22. Januar müsste er dafür aber 1,6 Millionen Mark sammeln
von WIBKE BERGEMANN
Die Belziger rechnen mit dem Schlimmsten: Demnächst könnten Jagdgesellschaften aus Berlin einfallen, der Wald vor ihrer Haustür zur reinen Kulisse fürs Schießvergnügen werden. Denn der Forst Dippmannsdorf, knapp 10 Kilometer nordwestlich der Brandenburgischen Kleinstadt, wird verkauft.
Die Privatisierung ist Teil der allgemeinen Abwicklung der ehemals volkseigenen Forstflächen in Brandenburg durch die Treuhandgesellschaft BVVG (Bodenvertriebs- und verwaltungsgesellschaft). Fast ein Drittel des Brandenburger Waldes geht auf diese Weise in private Hand.
Für den normalen Spaziergänger ändert sich zwar wenig: Das deutsche Waldgesetz schreibt auch den privaten Eigentümer vor, wie sie den Wald zu pflegen haben. Dazu gehört, dass auch private Forste für jedermann zugänglich sein müssen. Dennoch versuchen Eigentümer immer wieder, mit Tricks Besucher aus ihrem Wald rauszuhalten.
In Belzig hat sich daher inzwischen der Verein BürgerLand e.V. gegründet, um zu verhindern, dass der Hauswald in unbekannte Hände wechselt. Für 1,6 Millionen Mark will der Verein ein 980 Hektar großes Waldgrundstück kaufen und als „BürgerWald“ in ein funktionierendes Ökosystem umbauen. „Natürlich wäre es besser, darauf hinzuarbeiten, dass die Landeswälder ökologisch bewirtschaftet werden“, sagt Vereinsmitglied Dirk Fiedler. „Doch wenn der Wald verkauft wird, haben wir keine andere Wahl.“
Wie die meisten Wälder in Brandenburg ist auch der Forst Dippmannsdorf eine Monokultur: Er besteht zu 95 Prozent aus Kiefern. Der Verein will die ortsüblichen Eichenmischwälder wieder einführen, waldschonende Maschinen einsetzen und Kahlschläge vermeiden. Das Betriebskonzept der Initiative setzt auf Ökologie und Gewinn. Die bisherige konventionellen Beforstung ist unrentabel und kommt das finanzschwache Brandenburg teuer zu stehen: Mit 200 Millionen Mark subventioniert das Land jährlich den landeseigenen Forstbetrieb.
Der BürgerWald soll sich dagegen selbst tragen. Förster Dietrich Henke hat das forstwirtschaftliche Konzept ausgearbeitet. Alle Umweltkriterien sollen beachtet werden, so dass die Hölzer, die in dem Wald produziert werden, mit dem Zertifikat des FSC (Forest Stewardship Council) verkauft werden können. Unter Holzfreaks gilt FSC als das Gütesiegel für Bioholz. Die umweltfreundliche Holzproduktion ist zudem kostengünstiger: In gemischten Wäldern schützen ältere Bäume die Jungpflanzen, Frostschutz und Zaunbau entfallen. Ohne Kahlschlag findet auch keine Vergrasung der öden Flächen statt.
Zudem will der Verein mit dem BürgerWald auch zur wirtschaftlichen Entwicklung der strukturschwachen Region beitragen: Das Rohholz soll in einem eigenen Sägewerk geschnitten werden. Möglichst viele ansässige Betriebe sollen bei der Weiterverarbeitung des Holzes beschäftigt werden.
„Der BürgerWald ist eine Initiative von regionalpolitischer Bedeutung“, betont Claudia Schmidt, die an der Projektvorbereitung beteiligt ist. Dazu gehören auch gemeinnützige Projekte wie ein Waldklassenzimmer und Veranstaltungen mit Jugendlichen, die im Gehölz geplant sind.
Doch die Belziger Bevölkerung ist skeptisch. „Unter den Leuten herrscht große Frustration“, weiß Schmidt. „Wir hören immer wieder, das kriegt ihr ja eh nicht hin.“ Die Landschaftgärtnerin sieht daher in dem BürgerWald auch einen Schritt aus der großen Lethargie, unter der die Region leidet. Immerhin haben sich inzwischen 15 Personen gefunden, die sich mit mindestens 10.000 Mark beteiligen wollen. Eine Bank gibt weitere 500.000 Mark als Darlehen. Der letzte Termin für die Kaufbewerbung ist der 22. Januar. Bis dahin muss der Verein genügend willige Miteigentümer gefunden haben. Doch auch dann ist noch nicht entschieden, ob die Belziger ihren Wald bekommen. Die Nachfrage nach den öffentlich ausgeschriebenen Waldgrundstücken ist groß. Wenn alles klappt, brauchen die Belziger Waldbesitzer nur noch Geduld: Bis der Mischwald gewachsen ist, den sie sich vorstellen, dauert es ungefähr 100 Jahre.
Kontakt: Tel: 03 38 41/38 01 40,e-mail: info@buergerland.de
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