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Laaaangweilig

■ Literatour Nord (4): Starautorin Zoä Jenny liest am Sonntag aus ihrem aktuellen Erfolgsroman „Der Ruf des Muschelhorns“

Diese Floskel bitte dreimal täglich nach dem Mittagessen mit viel Wasser schlucken: Neues Deutsches Fräuleinwunder. Das klingt zwar wie eine Erfindung des nur nominal postfaschistischen Nachkriegskinos, ist aber echt Neunziger. Und weil das eine ganze Epoche war mit Loveparade, Postfeminismus, dem ganzen Kram halt, und einem Literaturbetrieb, der mehr denn je über das Labeln vermeintlicher literarischer Gruppierungen funktionierte, hatte man sich schnell geeinigt. Genanntes Fräuleinwunder ist eines dieser Label – wie Pop auch. Und in beiden Fällen wird neben einigen interessanten Texten auch viel Mittelmaß und Langeweile promotet.

Zuerst gab es diese (Schein-) Debatten um die deutsche Literatur, die als zu verkopft und/oder zu belanglos angesehen wurde und sich deshalb kaum gegen die böse amerikanische Belletristik behaupten konnte. Damit einher ging die Neuerfindung von etwas anderem: der Fotogenität des Literaten, häufiger noch der Literatin. Der Versuch, jungen Herren und vor allem Damen, die gerade erst einzwei Bücher veröffentlicht haben, ein Popstar-Image zu verpassen, war so durchschaubar wie peinlich. Etwa so, wie wenn elfjährige Mädchen mit dem Etikett „die Britney Spears Norddeutschlands“ um den Hals beim Sechstagerennen auftreten. Aber, wie das Leben so spielt: Es funktioniert trotzdem.

Aus eben jenem Grund gönnt sich der Schreiber dieser Zeilen auch eine so ausführliche Einleitung. Denn die Lesung, mit der die junge Schweizerin Zoä Jenny die zweite Runde dieser Literatour Nord einläutet, ist sicher gut besucht. Die „Autorin des erfolgreichen Debüts ,Das Blütenstaubzimmer'“, wie unter einem Foto der mit wehenden Haaren und verträumt dreinblickend am Strand stehenden Autorin vermerkt ist, liest aus ihrem zweiten Buch. Es heißt „Der Ruf des Muschelhorns“ und ist nicht gänzlich frei von romantischen Klischees und Idyllisierungen, die selten durch Brüche ver-rückt werden. Und erst der Klappentext: „Eines Morgens verlässt Eliza mit ihrer Mutter die Stadt.“ Stimmt. „Eliza wird aufs Land gebracht, zu ihrer Großmutter.“ Auch richtig. Doch dann: „Die Spur der Mutter verliert sich für immer.“ Meine lieben Klappentexter. Warum wird schon hier verraten, was die Geschichte zwischen Eliza und ihrer Oma doch so spannend klammern könnte?

Nun ja, tun wir mal so als hätte Frau Jenny mit all dem nichts zu tun. Der Ort dieses Bildungs- und Ernüchterungsromans wird von den Menschen Goldhügel genannt. „In den Sommermonaten war der Goldhügel wie ausgestorben. (...) George fuhr jeden Morgen mit dem Fahrrad unter den Schatten der Kastanien die Wege ab. Dabei schaute er sich um, als suche er etwas. ,Das ist kein Goldhügel, das ist ein Geisterhügel', dachte er bei sich und grinste über seinen Einfall.“ Viel uneleganter kann man die Desillusionierung kindlicher Idyllengläubigkeit kaum fassen. Von der vielbeschworenen Lakonie ist wenig zu spüren, zu dick ist der Firnis, der über Metaphern und Motiven liegt. Die Geschichte kommt nie wirklich aus dem Quark. Kurz gesagt: Sowas muss man mögen.

Alle, die diese Einschätzung teilen, mögen die Beschränkung auf Rahmen und Andeutung verzeihen. Allen anderen sei ein vergnüglicher Abend gewünscht. Und, versprochen: In der nächsten Besprechung gibt es wieder die gebotene literaturanalytische Tiefenschärfe. Gute Nacht. Tim Schomacker

Zoä Jenny liest am Sonntag, 21. Januar, um 11 Uhr im Oldenburger PFL, Peterstraße 3, und um 20 Uhr im Ambiente, Osterdeich 69, in Bremen.

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