daumenkino: Vertical Limit
Wieder „ruft der Berg“, und diesmal sind es Fitnesswütige, die das Gestein erhören. „Du erreichst die Zone des Schmerzes“, sagt Vietnam-Walter in „The Big Lebowski“, unsre Bergsteiger wollen noch höher hinaus – bis in die „Todeszone“. Da wo eigentlich nur Yetis oder Messners ohne Sauerstoffgerät Lawinen überleben.
Prima, dass es den K2 im Himalaya gibt – da kann man bis auf 8.000 Meter hochklettern. Fast so hoch, wie Düsenjets fliegen. Da das Bergsteiger-Filmgenre den Produzenten doch ein wenig verbraucht vorkam – wer empfindet schon noch wirklich Mitleid, wenn sich Muskelmänner und Fotomodels in Gletscherspalten Zehen abfrieren – haben die in Hollywood neben lauter verunglückten Kletterübungen auf Bürgerkriegsutensilien gesetzt. Kraxeln mit Nitro im Rucksack ist eindeutig spannender als mit Wurstsemmel!
Günstig, dass irgendwo in dieser Gegend immer gerade Krieg ist. Der Guerilla-Hauptmann darf sogar kritisch gegenüber den Amis sein: Die Bergfreaks würden die ganzen Medikamente verbrauchen, die seinen verreckenden Soldaten fehlen. Trotzdem fliegt er die Expedition mit seinem Kampfhubschrauber so hoch, bis die dünne Luft fast den Motor abwürgt.
Bestimmt fünf Filmminuten dauert es, bis ein paar Goretextypen aus einem Helikopter heil auf einen Felsvorsprung springen. Diese Truppe ist schon die zweite: die ursprüngliche Expedition (ohne Nitro) hatte Hierachieprobleme und kraxelte trotz Wetterwarnung vom Basislager (nie würde ich höher laufen!) weiter. Schwupp, saust eine riesige Lawine (in Wirklichkeit aus Papierschnipseln) auf die knackigen Wanderer zu: Zwei Typen und ein Model verschwinden in einer Gletscherspalte, in der es eigentlich ganz gemütlich zu sein scheint. Bis auf die doofen Lungenödeme, die man sich da holt. Komischerweise finden die Bergsteiger hier kein vereistes Holz zum Lagerfeuermachen – würde einen nicht wundern. Dafür finden ihre Retter ein Girl mit blauen Lippen, sonst recht gut in Schuss, nur leider tiefgefroren.
Mit Nitroglyzerin in K2-Wänden, das kann schon mal brenzlig werden. So werden zwei Retter, die nicht einfach wie Fliegen von der Felswand fallen wollen, vorher noch gegrillt. Trotz der verdammt hohen und hübschen Bergpanoramen besticht Vertical Limit hauptsächlich durch (allerdings recht spannenden) Flachsinn. ANDREAS BECKER
„Vertical Limit“. Regie: Martin Campbell. Mit Chris O’Donnell, Bill Paxon u. a. USA 2000, 120 Min.
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