: Nur Stoever bringts
Dagobert, der Lord von Barmbek und ein Schwamm über dem Loch in der 125-jährigen Geschichte der Hamburger Kripo ■ Von Magda Schneider
Standesorganisationen haben die Aufgabe – anders als Gewerkschaften – ihren jeweiligen Berufszweig standhaft zu verteidigen. Wie der Bauernverband, der jahrzehntelang im Einklang mit pharmaindustriellen Mastferkeln dem Rindviech alles zu fressen verabreichte, bis die Kuh dem Wahn anheimfiel.
Doch wenn es um die Bewältigung der Vergangenheit der Hamburger Kriminalpolizei (Kripo) geht, schlägt der „Bund Deutscher Kriminalbeamter“ (BDK) regelrechte Kapriolen, um seine Zunft vor der eigenen Geschichte zu bewahren. Abgesehen von einem Mini-Beitrag im „Kastor Sonderheft“ zu „125 Jahren Kriminalpolizei Hamburg“ hat der BdK offiziell in seiner Pressemitteilung nur eine kurze Formel für zwölf Jahre „Gleichschaltung der Polizei“ zwischen 1933 und 1945 parat: „Düsteres Kapitel“, Schwamm drüber.
Ganz so krass gebärdet sich die offizielle Ausstellung „125 Jahre Kripo“ nicht, die gestern im Rathaus eröffnet wurde. Dort widmen sich zumindest einige Tafeln der Rolle der Kripo während des NS-Regimes. So wird auf Direktiven von SS-Führer Heinrich Himmler an den damaligen Kripo-Chef Wilhelm Purucker 1933 aufmerksam gemacht und darauf, dass sich immer mehr „ideologische und rassis-tische Vortellungen“ der Nazis unter den Kriminalen verfestigten.
Gegründet wurde die Kripo 1876, nachdem ein Gesetz die „gesamte polizeiliche Tätigkeit in Criminalsachen“ zusammenfasste. Vorangiges Ziel: die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokraten zu verfolgen. Schon schnell sorgte die Hamburger Kripo für Furore. „Ab 1893 unter dem Leiter Gustav Rosche wurde die Hamburger Kripo die modernste des Kaiserreiches“, betont Polizeipädagoge Wolfgang Kopitsch. Damals führte Rosche eine so genannte Verbrecherkartei ein: Körpermaße und Fingerabdrücke auf Karteikarten, Fotos in Verbrecheralben.
„Jede Zeit hat ihre typischen Verbrechen“, weiß der Polizei-His-toriker. Typisch für die Wirren der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg war der „Lord von Barmbek“ alias Julius Adolf Petersen. Er organisierte Drogenhandel, Diebstähle und Raubüberfälle.
Einer der spektakulärsten Ganoven der jüngsten Vergangenheit bleibt der Karstadt-Erpresser Arno Funke alias „Dagobert“. Von 1988 bis 1993 narrte der erfindungsreiche Bombenleger in Hamburg die Polizei: So sollte einmal die Beute in ein Mini-U-Boot gesteckt werden. Auch wenn im Laufe von 125 Jahren Delikte wie „Majestätsbeleidigung“ inzwischen entfallen sind, ist einiges geblieben. So klagten die Criminal-Offizianten zu Kaisers Zeiten ebenso über Personalmangel und Arbeitsüberlastung wie der BdK der Gegenwart. Und so können nur zwei Hamburger Kripo-Männer bislang auf eine „100-prozentige Aufklärungsquote“ verweisen, wie Bürgermeister Ortwin Runde gestern in seiner Laudatio feststellte: Die Hamburger Tatort-Kommissare Stoever und Brockmüller.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen