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Krisensitzung um Musical und TSC

■ Beim Ticket-Service-Center hagelt es Kündigungen. Die Sparkasse will ihre Anteile nun doch nicht an KPS verkaufen. Hair ist kein Touristenmagnet

Vor zwei Wochen schien im Wirtschaftskabinett des Bremer Senats alles klar: Sowohl das Bremer Ticket-Service-Center (TSC) wie die Mehrheit an der neuen Musical-Produktionsgesellschaft und Vermarktung wird an den Konzertunternehmer und Verleger Klaus-Peter Schulenberg (KPS) verkauft. Gestern war bei der Bremer Sparkasse Krisensitzung zwischen Sparkassen-Vorstand, dem Unternehmer Schulenberg und dem HVG-Geschäftsführer Michael Göbel – als Vertreter der Stadt – und überhaupt nichts war mehr klar.

Denn in der Zwischenzeit sind reichlich Fragen aufgetaucht: Erstens hagelt es Kündigungen beim TSC, auch die beiden Geschäftsführer haben gekündigt und sind ab sofort beurlaubt. Zweitens hat die Konkurrenz-Firma „Start Ticket GmbH“ zum 1.3. insgesamt 1.250 Quadratmeter Bürofläche im Technologiepark angemietet, sucht Mitarbeiter und macht offenbar Ernst mit der Ankündigung, massiv auf dem Bremer Markt aufzutreten. Start hat gleichzeitig seine Software, die das TSC nutzt, zum 30.6. gekündigt. Schließlich und drittens ist die Frage aufgetaucht, was aus dem Musical-Theater am Richtweg wird, wenn das Musical Hair dort so viel Erfolg hat wie das sehr viel aufwändigere Jekyll&Hyde – eine zusätzliche, staatlich subventionierte Spielstätte für beliebige Programme der KPS-Gruppe?

TSC-Chef Peter Brandt hatte schon im vergangenen Jahr öffentlich angekündigt, dass er keinen Tag unter dem Verleger Schulengerg arbeiten wolle. Auch seine Vertreterin Angela Skrzipek ist beurlaubt, weil sie ihre Kündigung eingereicht hat. „Hauptgrund ist die Person Schulenberg“, sagt sie. „Er ist nicht kooperationsbereit, wie haben seit 1989 Prozesse gegeneinander geführt.“ Das sehen zentrale Mitarbeiter des TSC offenbar ähnlich. Heute sucht die Start Ticket für ihren Bremer Auftritt offiziell Mitarbeiter – sie wird schnell in der Sache eingearbeitete Bewerber finden.

Die Reaktion auf die Vorstellung im Wirtschaftskabinett hat offenbar die Bremer Sparkasse, die 50 Prozent der Anteile des TSC hält, verunsichert. War sie Ende Januar noch bereit, auf ihre Vorkaufsrechte zu verzichten und einen Teil ihrer TSC-Anteile abzugeben, um KPS die 51 Prozent-Mehrheit beim TSC zu ermöglichen, so hat sie diese Bereitschaft inzwischen korrigiert. Die Sparkasse wollte sogar den Weser Kurier an einer Lösung beteiligen, und das geht nur, wenn der Erzrivale Schulenberg nicht die dominierende Rolle spielt. Es kennzeichnet die Unübersichtlichkeit des laufenden Machtkampfes, dass Michael Göbel von der Bremer HVG, der über die anderen 50 Prozent der TSC-Anteile verfügt, als letzter von diesem Sinneswandel der Sparkasse erfuhr.

Göbel hatte auch als letzter erfahren, wie sein Musical-Geschäftsführer René Meyer-Brede hinter seinem Rücken seine Ziele torpedierte. Offiziell war schon im vergangenen Jahr verkündet worden, Jekyll&Hyde solle von der Vermarktung durch Stella profitieren. Wer den Vertrag mit Stella wochenlang nicht unterschrieb, war der Jekyll&Hyde-Geschäftsführer; dieser Sachverhalt führte dazu, dass es im Januar gar keine Vermarktung durch Stella geben konnte. Gleichzeitig hatte Meyer-Brede am 9. Januar hinter dem Rücken des HVG-Geschäftsführers einen „letter of intend“ mit Schulenberg unterschrieben, während Göbel noch intern dafür argumentierte, dass doch die Stella-Gruppe der bessere Partner für die Vermarktung des Bremer Musicals wäre.

Ganz nebenbei geht es bei dem Streit auch um das inhaltliche Konzept: Wenn statt eines überregional Touristen anlockenden Musicals wie Jekyll&Hyde nun ein preiswertes und regionales Programm wie Hair gespielt werden soll, dann fällt die Spielstätte am Richtweg im Grunde aus dem Tourismus-Programm heraus. „Family Entertainment“ ist die Kategorie, in die Fachleute diese Art von Unterhaltungsangeboten einstufen. Als die Stadt Millionen für die Herstellung der Spielstätte am Richtweg ausgab, wollte sie weder Stadthalle und Glocke Konkurrenz machen, noch der KPS-Gruppe zur eigenen Spielstätte verhelfen. K.W.

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