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Erzählt von der Mutter!

Karin Jurschick sucht in ihrer ersten längeren Filmarbeit „Danach hätte es schön sein müssen“ (Forum) nach der Geschichte ihrer Eltern und findet doch fast nur Schweigen

„Hast du eigentlich irgendeine Art von Respekt vor Hannelore?“ Bevor er die Frage beantwortet, zögert der alte Mann lange. Regungslos sitzt er im schweren, ledernen Wohnzimmersessel, unverwandt blickt er in die Kamera. Schließlich murmelt er etwas Unverständliches, und dann: Er hätte wohl eine ältere Frau heiraten müssen, eine „mit mehr Selbstbewusstsein“.

Der alte Mann im Wohnzimmersessel ist der Vater der Kölner Hörfunk- und Fernsehautorin Karin Jurschick, Hannelore die Mutter. 1956 haben sich die Eltern kennen gelernt, da war er 46, ein Ingenieur und angesehener Mann. Sie arbeitete als Stenotypistin und war halb so alt wie er. 1959 kommt die Tochter zur Welt, nicht viel später wird eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus bezogen, in der der Vater noch heute lebt, ohne dass er an der Einrichtung viel verändert hätte. 1974 nimmt die Mutter Schlaftabletten in einem Hotelzimmer in Bremen, einer Stadt, die sie nur zum Sterben aufsucht.

Was Jurschick in „Danach hätte es schön sein müssen“, ihrer ersten langen Filmarbeit, versucht, ist ein Wagnis: Sie will die eigene Familiengeschichte erzählen, will dokumentieren, worin sie selbst verstrickt ist. Und vielleicht will sie auch etwas bannen: die Gespenster einer Vergangenheit, die ihr Unwesen umso wirksamer treiben, je größer die Entfremdung zwischen Vater und Tochter wird. Nicht umsonst benutzt Jurschick zweimal die Aufnahme eines Autobahnkreuzes und erzählt dazu, dass die Selbstmörder früher unter belebten Wegkreuzungen beerdigt wurden. Durch den Verkehr, so die Legende, werden die unruhigen Seelen so verwirrt, dass sie den Weg zu ihren Verwandten nicht mehr finden und daher ihre Familien in Frieden lassen. Karin Jurschick lässt keinen Zweifel daran, dass sie den umgekehrten Weg gehen will.

Dabei legt sie Wert darauf, dass die Familiengeschichte, so privat sie auch ist, nicht als Privatangelegenheit begriffen wird. Die Passion ihrer Mutter, die Schlaftabletten und Migräneanfälle, der Alkohol, die mangelnde Anerkennung durch den Ehemann, die Bevormundung und die Unmöglichkeit, unter diesen Umständen zu etwas Eigenem zu finden: All dies wird auch als Symptom dafür geschildert, wie die Wirtschaftswundergesellschaft ihre weibliche Hälfte entmündigt. Diese klassisch feministische Lesart bietet sich an, zumal Jurschick sie der Geschichte nicht aufzwängt.

Das Problem liegt anderswo: Welche Bilder finden sich für die Darstellung des Privaten? Wenn Jurschick mit ihrer DV-Kamera durch die Wohnung streift, trägt das obsessive Züge, ganz so, als wollte sie auf Wände und Schränke einprügeln: Erzählt von der Mutter! Aber die Gegenstände bleiben stumm. Familienfotos neigen eher zum Sprechen, doch auch sie geben nicht den Aufschluss, den sich Jurschick erhofft haben mag. Rhythmus und Struktur entstehen durch historische Aufnahmen, die teils aus der Nazizeit stammen: Wir sehen Sportübungen junger Soldaten und junger BDMlerinnen, dann im Umschnitt ineinander greifende Maschinenteile. So wie die Zahnräder schnurren, stellt sich der Vater zwischenmenschliche Beziehungen vor. Am Ende weiß man einiges über diesen unbewegten Mann, der über den ganzen Film hinweg kein Gefühl äußert: „Weißt du“, sagt er zu seiner Tochter, „da weiß ich gar nicht so viel über deine Mutter.“

CRISTINA NORD

„Danach hätte es schön sein müssen“, Regie: Karin Jurschick, Deutschland, 73 Minuten

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