: Diese Nase ...
■ ... gehört zu Georg Ringsgwandl, dem bekennenden bayerischen Anarchisten und erfolgreichen Musicalproduzenten mit Klampfe im Arm. Am Montag besingt er die Erotik der Frauenputzko lonne
Georg Ringsgwandl ist eine multiple Persönlichkeit. Der gelernte Oberarzt verdient sein Geld als Anarchist, Komödiant, Clown und Musiker, hat alle handelsüblichen Kleinkunstpreise im Regal stehen und gehört zur aussterbenden Zunft schräger Vögel vom Schlage Karl Valentins, die in keine Schublade passen. Zuletzt machte er als Punk-Musicalstar von sich reden. Derzeit touren er und Band mit einem Bluesprogramm durchs Land. Im Interview erklärt er, warum Sozialismus unsinnig ist, Frauen manche Bürde zu tragen haben und weshalb er Mitleid mit dem Musicalstandort Bremen verspürt.
taz: Herr Ringsgwandl, Sie hatten kürzlich offensichtlich ein ungewöhnliches Coming Out – Sie wissen nun, dass Sie Steffi Graf sind.
Georg Ringsgwandl: (irritiert) Wie? Ich? Steffi Graf?
Nun, das Cover Ihrer neuen CD lässt im Grunde keinen Zweifel zu.
Ach ne, das ist unbewusst so gekommen. Letzte Woche hat mir plötzlich jemand gesagt: „Hey, Du schaust ja auf dem Foto aus wie die Steffi Graf“, und im nachhinein muss ich zugeben, dass das wirklich so ist. Aber ich bin ein großer Verehrer der Steffi Graf. Sie ist ja keine besonders schöne Frau ...
... aber sie hat ebenso wie Sie eine prächtige Nase.
Genau. Aber als Mann kann man mit so einer Nase locker durchs Leben gehen. Aber für eine Frau ist das eine Bürde. Die Steffi hat ihr ganzes Leben lang nur geschuftet, trainiert, musste immer nur verzichten. Und zu diesem Unglück ist sie auch noch mit einem idiotischen Vater geschlagen. Jetzt hat sie einen Haufen Geld und jeder scharwenzelt vor ihr rum, und keiner traut sich so richtig, ihr zu sagen, dass er sie hässlich findet. Mit welch einer Würde sie all dies so durchgetragen hat, das finde ich nett an ihr.
Hat man Ihnen auch schon gesagt, dass Ihre Nase hässlich ist?
Dauernd. Ich bin nur gehänselt worden. Erst mit 40 Jahren habe ich mich damit anfreunden können, dass das Ding zu mir gehört.
Jetzt tragen Sie sie mit Würde?
Was bleibt mir übrig? Etwas besseres kommt ja wohl nicht mehr.
Auf Ihrer neuen CD „Gache Wurzn“ huldigen Sie dem relaxten Leben rund um den Küchentisch mit einem Glas Rotwein. Ist das der Hintergrund für Ihr Mitleid mit dem Graf'schen Alltagsstress?
Nein, das täuscht. Mir ging es nicht darum, dass ich eine Reinhard-Mey-artige Rotwein-Weißbrot-Käseidylle am Küchentisch aufkommen lassen möchte. Wir haben halt die Platte in der Wohnküche aufgenommen. Das ist mehr so passiert, weil wir keinen anderen Übungsraum hatten.
Aber die Figuren in Ihren Liedern zeichnen sich nicht durch Graf'schen Arbeitsethos aus.
Schon, aber die ziehen konsequent ihr Ding gegen alle Widrigkeiten durch, sind insofern also keine Faulpelze oder so, sondern huldigen schlicht einem anderen Lebensideal mit aller Konsequenz. Darin liegt eine Qualität.
Den Ringsgwandl muss ich mir daheim also nicht nackig mit Küchenschurz, ungewaschen und mit Bauchansatz vorstellen, wie es in einem Lied heißt?
Ne, das nicht. Aber der Song macht darauf aufmerksam, dass sehr viel Erotik in der ganz normalen Alltagsfrauenschaft ist. Es gibt Putzkolonnen, die haben einfach eine raue, lebensnahe Erotik.
In einer Liedzeile singen Sie laut Booklet von einem armen Wirt, dessen Geschäfte schlecht laufen und der zu allem Unglück auch noch Besuch vom Gesundheitsamt bekommt. Ich verstehe nur ein Wort: Gesundheitsamt. Wieso tun sie sowas, auch noch in Norddeutschland?
Im Norden singe ich ja so, dass die Leute mich verstehen. Andererseits – ich kann nicht anders. Mein Betriebssystem im Kopf läuft bayerisch, ich denke bayerisch, da kann auch aus mir nix anderes rauskommen als bayerisches.
Für einen so überzeugten Bayern stoßen Sie in der Heimatpresse aber nicht immer auf Gegenliebe ...
... nicht immer, nein ...
Die Presse bescheinigt Ihnen, ein audiovisuelles Desaster zu sein. Ihnen sei provozierende Geistlosigkeit eigen. Ihre Stimme klinge, als würde man Ihnen die Nase zuhalten. Und der Rezensent der Bayerischen Staatszeitung schrieb, er musste in der Pause gehen, weil er Sie nicht mehr ausgehalten hat.
Moment mal, das ist ein Kompliment. Die Bayerische Staatszeitung ist so, wie man sie sich vorstellt: Affirmativ, geduckt und im vorauseilenden Gehorsam geschrieben.
Die anderen Kritiker schreiben aber für andere Zeitungen.
Ja Gott, das ist halt keine mehr-heitsfähige Ästhetik. Wenn man von allen gemocht werden will, muss man Sachen machen wie Pur. Es gibt im Alpenland eine kleine, feine, widerspenstige Anarchistentradition, der ich mich verpflichtet fühle. Damit lebt man hier seit Jahrhunderten. Mein Glück ist nur, dass heutzutage die Todesstrafe abgeschafft ist.
Auf der CD findet sich eine Hommage an Chuck Berry, und auch sonst bewegen Sie sich in den Musiktraditionen der 68er-Generation. Die Hip Hop-Jugend ist nicht gerade Ihre Zielgruppe.
Doch, die interessiert mich schon. Aber wenn ich jetzt eine Hip Hop-Platte machen würde, würde so mancher nicht zu Unrecht denken: „Jetzt biedert sich der Opa an.“ Also mache ich doch lieber simpel und einfach das, was ich kann. Rockmusik ist die Stilistik, die ich gut beherrsche ...
... die sieben bis neun Akkorde, die die Südwestpresse bei Ihnen ausgemacht hat ...
... genau.
Ein bekennender Rockmusiker, Widerständler und Anarchist – kursieren schon belastende 68er-Ringsgwandl-Fotos in Bayern?
Nein, ich bin nie Teil der Studentenrevolte gewesen. Ich bin in einem Arbeiterviertel aufgewachsen, mein Vater war selbst Arbeiter, und ich wusste nie, wovon die studentische Linke eigentlich spricht. Eine Zeit lang musste ich deren ganzes Zeug auch lesen, weil mich meine Freundin durch Beischlafsentzugserpressung zum Besuch von Kapital- und Lenin-Einführungskursen gezwungen hat. Gewirkt hat's nicht, ich hab' das immer schon für Schwachsinn gehalten. Ich wusste immer: Wer die Arbeiterschaft kennt, der weiß, dass der Sozialismus für die nicht geschaffen ist.
Zuletzt haben Sie ein Punk-Musical über Ludwig II. gemacht. Wissen Sie, dass Bremen auch ein Musical namens „Jekyll & Hyde“ hat?
Gehört habe ich davon.
Es hatte 1999 Premiere, genauso wie Ihr Ludwig II. Den Preis für das beste Musical dieses Jahres haben aber nicht Sie, sondern „Jekyll & Hyde“ bekommen.
Es sei denen gegönnt.
„Jekyll & Hyde“ ist trotzdem pleite. Sie auch?
Im Gegenteil, wir sind ein Gewinnunternehmen gewesen.
In Bremen wird schon ein Nachfolgestück gesucht. Im Gespräch ist „Hair“.
Hair? Mensch, das ist ja t o p m o d e r n. Da kann ich als erfolgreicher Musicalmacher nur empfehlen, ganz auf die teuren Schauspieler zu verzichten und gleich den Film zu zeigen. Da braucht's nur noch einen Filmvorführer – und los geht's.
Sie sind gleich ein paar Tage in Bremen. Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen die Telefonnummer des Musicalbetreibers, vielleicht hat Ludwig II. hier ja eine Chance.
Also, mir fehlt da die Chuzpe der Abzocker von Stella & Co. Die gehen einfach zu den armen Finanzbeamten und nehmen denen für Scheiße ein paar Millionen ab. Ich hätte da ein schlechtes Gewissen, gerade in einer Stadt wie Bremen mit den vielen Arbeitslosen. In Monaco sähe das anders aus ...
Vielen Dank für Ihr Mitleid.
Gern geschehen.
Fragen: Franco Zotta
Ringsgwandl kommt heute (Sa) als „Wintergast“ von Radio Bremen Zwei (Ukw 88,3 Mhz) zwischen 10 und 12 Uhr ins Foyer der Schauburg. Weitere Auftritte; TiF Bremerhaven (So, 20 Uhr), Bremer Theater (Mo, 20 Uhr), Kulturetage Oldenburg (Di, 20 Uhr), Pumpwerk Wilhelmshaven (Mi, 20.30 Uhr).
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