: Zuwanderer? Sind schon da!
Die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) und der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder fordern, dass bosnische Flüchtlinge arbeiten dürfen. Derzeit leben 7.000 Bosnien-Flüchtlinge in Berlin
von JULIA NAUMANN
Nach dem Willen der Ausländerbeauftragten des Senats, Barbara John (CDU), und des SPD-Landeschefs Peter Strieder sollen bosnische Flüchtlinge zukünftig in Berlin arbeiten dürfen. „Wir müssen diesen Menschen eine Chance geben, Arbeit zu suchen“, sagte John gestern gegenüber der taz. Die Bosnier sollen eine gleichrangige Arbeitserlaubnis wie andere Ausländer auch bekommen. Strieder sprach sich dafür aus, „dass Bosnier bleiben dürfen und eine Arbeitserlaubnis erhalten“. Die Hauptstadt sei dringend auf Zuwanderer angewiesen.
Hintergrund der aktuellen Forderung ist die Innenministerkonferenz, die in der vergangenen Woche stattfand. Dort hatten die Innenminister aller Bundesländer beschlossen, dass Flüchtlinge, die mindestens seit sechs Jahren in Deutschland leben und seit zwei Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, dauerhaft in Deutschland bleiben können.
In Berlin durften die bosnischen Flüchtlinge im Gegensatz zu Bayern und Baden-Würtemberg jedoch aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation nur bis zum November 1993 arbeiten. Das wollen die Ausländerbeauftragte und der SPD-Landesvorsitzende jetzt ändern. „Gegenüber den Flüchtlingen in Bayern ist das ungerecht“, sagt John. Diese seien durch eine frühzeitige dauerhafte Arbeitserlaubnis wesentlich stärker in die Gesellschaft integriert als in Berlin. Hier lebt ein Großteil der Flüchtlinge abgeschottet in Wohnheimen und ist wegen des Arbeitsverbots auf Sozialhilfe angewiesen.
Von den urspünglich 30.000 bosnischen Flüchtlingen, die Anfang der 90er-Jahre nach Berlin kamen, sind noch rund 7.000 in der Hauptstadt. Die meisten kommen aus der serbischen Teilrepublik in Bosnien. „Viele von ihnen können nicht zurückkehren, weil ihre Häuser besetzt oder zerstört sind und sie als Muslime nach wie vor nicht toleriert werden“, sagt Bosiljka Schedlich, Geschäftsführerin vom Südost-Zentrum. Das Selbsthilfe-Zentrum kümmert sich um die Belange von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Von den Flüchtlingen könnten ungefähr 2.000 sofort anfangen zu arbeiten. Schedlich: „Sie sind sehr motiviert, denn sie wollen gerne für sich selbst sorgen.“
John möchte die Flüchtlinge in Bereichen einsetzen, in denen Arbeitskräftemangel herrscht – zum Beispiel in der Gastronomie. Doch es gibt auch Handwerker, Juristen und Ingenieure unter den Flüchtlingen. Nach Angaben von Strieder hätte ein Teil der Bosnier eine qualifizierte Ausbildung mitgebracht oder wurde in Berlin ausgebildet. „Auf diese Qualifizierung können wir nicht verzichten.“
In der Senatsinnenverwaltung stößt der Vorstoß von John und Strieder auf Ablehnung. „Wir halten nach wie vor am Prinzip der freiwilligen Rückkehr fest“, so der Sprecher von Innensenator Eckart Werthebach (CDU), Stephan Paris. Wenn es Ausnahmen geben sollte, dann „nur unter sehr engen Voraussetzungen, bezogen auf die Qualifikation der Flüchtlinge“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen