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Kinderbetreuung muss nicht teuer sein

DIW schlägt Lösungen vor, die auch für knausrige Politiker interessant sein könnten: Gutscheine für Mütter und Väter

BERLIN taz ■ Ein Statement wollte sie noch nicht abgeben, aber neugierig ist sie sehr. Familienministerin Christine Bergmann (SPD) ließ sich gestern gleich am frühen Morgen die neuen „Vorschläge zur Reform der Kinderbetreuung“ faxen, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin vorstellte.

Bergmanns Interesse kommt nicht von ungefähr: Erst vor kurzem hatte sie mit einem eigenen Vorschlag für Wirbel gesorgt. Der Bund, so Bergmann im Januar, solle sich an der Finanzierung der Kinderbetreuung beteiligen. Bergmanns Ziel: „ein bedarfsgerechtes Angebot“. Bergmanns Problem: Kinderbetreuung ist eigentlich „ureigene Aufgabe der Kommunen und der Länder“, wie die grüne Finanzexpertin Christine Scheel sofort betonte. Weiteres Problem: Die Grünen fordern „mindestens 30 Mark mehr Kindergeld“. Zusätzliche Mittel für die Kinderbetreuung wären dann kaum drin. Auch der finanzpolitische Sprecher der SPD, Joachim Poß, bremste Bergmanns Elan: „Es muss klar sein, dass der Bund hier nicht neues Geld in die Hand nehmen kann.“

Die Experten des DIW glauben, dass sie ihre Studie „genau zum richtigen Zeitpunkt“ abgeschlossen haben. Kinderbetreuung sei „keine Hexerei“, sagte Forschungsdirektor Gert Wagner. Der Status quo sei aber erschreckend. Von Chancengleichheit für Kinder und Mütter könne keine Rede sein. Für eine bedarfsgerechte Versorgung mit Krippen-, Kindergarten- und Hortplätzen wären „öffentliche Mittel in der Größenordnung von 34 bis 60 Milliarden Mark pro Jahr“ nötig – vorerst utopisch. Deshalb schlägt das DIW auch Lösungen vor, die weniger Geld kosten. So sollten alle Eltern Gutscheine erhalten, mit denen sie die Betreuung ihrer Kinder bezahlen könnten. Bisher werden die Einrichtungen pauschal vom Staat gefördert. Ziel des Vorschlags: Wenn die Eltern direkt Einfluss nehmen könnten, müssten sich Kitas und Kindergärten um mehr „Kundenfreundlichkeit“ bemühen. So wünschen sich viele Eltern flexiblere Öffnungszeiten, um Job und Kind besser vereinbaren zu können.

Fragt sich nur, wie flexibel die Politiker sind. Wagner jedenfalls graust es schon vor dem „Widerstand aus der Ministerialbürokratie“. LUKAS WALLRAFF

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