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Keine Fahne für Tibet am Bremer Rathaus

■ Am Jahrestag der Unterdrückung des tibetischen Volkes kann das Bremer Rathaus aus staatspolitischen Gründen leider keine kleine Solidaritätsfahne hissen

Am 10. März wird an mehr als 440 Rathäusern in Deutschland die tibetische Flagge wehen – als Zeichen der Solidarität und Erinnerung an die brutale Niederschlagung des Aufstandes der Tibeter vor 42 Jahren. „Das souveräne Tibet war 1950 von der Volksrepublik China völkerrechtswidrig besetzt und annektiert worden“, schrieb der Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz im vergangenen Jahr, um die Beteiligung Bremerhavens an der bundesweiten Aktion zu begründen. Der Gedenktag erinnert an die Ermordung von 87.000 Tibetern in Lhasa im Jahre 1959, mit dem der tibetische Widerstand gegen die Annektion gebrochen werden sollte.

„Leider weigerte sich der Bremer Senat, auch am Bremer Rathaus Flagge zu zeigen“, steht auf der Internet-Seite der Bremer Tibet-Initiative zu lesen.

1998 hatte der Grüne Abgeordnete Arendt Hindriksen die Sache im Parlament zur Sprache gebracht. Die Antwort des Senats damals war gewesen, es werde nur für Staatsbesuche geflaggt, nicht für „private Initiativen“.

„Wir akzeptieren diese Begründung nur zähneknirschend“, sagt Holm Triesch, von Beruf Mitarbeiter im Finanzressort und in seiner Freizeit Aktivist der Bremer Tibet-Initiative. Er pflegt die Internet-Informationsseite, die eine der umfangreichsten der bundesdeutschen Regionalgruppen ist. Triesch war vor Jahren als Tourist im Tibet und wurde dabei mit der ungeheuerlichen Grausamkeit konfrontiert, mit der die Volksrepublik das tibetische Volk behandelt. „Wie Tiere“, sagt Triesch. Die Reise-Erfahrungen motivierten ihn, sich bei der Initiative zu engagieren, seit Jahren trifft sich eine Handvoll Tibet-Freunde jeden Monat und hält die tibetische Fahne auch in Bremen hoch.

Auf einer Podiumsdiskussion im Bremer Rathaus im Januar diesen Jahres hat Bürgermeister Henning Scherf klare Worte gefunden: „Auch wenn das den Chinesen unangenehm ist und sie das stets als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten zurückweisen“, erklärte er, „müssen sie spüren und aushalten, dass ihr Handeln nicht unwidersprochen bleibt.“

In den Gesprächen mit China, sagte Scherf gleichzeitig, dürfe man „nicht auf Konfrontation setzen. Derartige Versuche sind von vornherein zum Scheitern verurteilt.“ Der diplomatische Seilakt ist klassisch: „Wir sollten nicht nur auf Proklamationen setzen“, erklärte Scherf weiter. „Ich möchte keine Demonstrationen machen, sondern eine Politik, die eine reale Verbesserung der Lage Tibets und der Tibeter ermöglicht. Es muss den Chinesen selbst deutlich werden, dass sich mit ihrem Handeln mehr Schaden zufügen als Nutzen. Dann sehe ich eine reelle Chance für eine allmähliche Kehrtwende im Reich der Mitte.“

Wenn die UN-Menschenrechtskommission am 19. März wieder über eine Verurteilung von China wegen der Unterdrückung im Tibet beschließen will, dann werden sich die EU-Staaten querstellen, prophezeit Triesch. Eine kleine Initiative brauche unendlich viel Kraft, um bei dem dem Versuch, den Menschenrechten in der großen Politik Geltung zu verschaffen, nicht an der Gumminwand der Diplomatie zu verzweifeln.

Bremerhaven ist ein kleiner Erfolg der Zähigkeit. Warum hängt dort seit dem vergangenen jahr die Tibet-Fahne am 10. März? „Herr Triesch ist ja unermüdlich“, sagt der Pressesprecher der Stadt auf diese Frage. Triesch „füttert“ die Internet-Seite der Bremer Tibet-Initiative, die über alle Themen der Politik, Geschichte, der Menschenrechte und der aktuellen Ereignisse ausführlich berichtet (www.bremen.de/info/tibet). Am 10. März wird die kleine Bremer Tibet-Initiative wieder vor dem Bremer Rathaus stehen, wie jedes Jahr, und alle, die hingucken wollen, an das „Freiheit für Tibet“ erinnern.

K.W.

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