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Die Konjunktur wird`s schon richten

Wenig Neues vom Bündnis für Arbeit: Keine Vereinbarung zu Mitbestimmung und Überstunden. Ältere Arbeitnehmer sollen vermehrt weitergebildet werden. Ansonsten vertraut der Bundeskanzler auf die positive Kraft der Wirtschaftsprognosen

von BARBARA DRIBBUSCH

Ludwig Georg Braun ist noch nicht so lange dabei und erfreulich unbefangen. Er wirke ja nicht sehr zufrieden, meinte gestern eine Interviewerin nach den Gesprächen zum Bündnis für Arbeit, ob das wohl an der Bündnisrunde gelegen habe? Nein, sagte Braun, „aber ich musste meinen Sonntag drangeben“. Braun, neuer Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), sprach spontan aus, was viele dachten: Wie schon die Gesprächsrunden zuvor hat auch die gestern tagende Runde kaum Neues gebracht.

Zweieinhalb Stunden hatte die Versammlung mit Bundeskanzler Schröder und Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften zusammengesessen. Das Ergebnis: Der Abbau von Überstunden, zuletzt mal wieder als Thema hochgejubelt, wird nicht durch konkrete Maßnahmen vorangetrieben. Und die Reform des Mitbestimmungsrechts wird auch nicht in Teilen ausgesetzt, wie von den Arbeitgebern gefordert.

„Ich bin für den Konsens zuständig, nicht für die Kontroverse“, sagte Bundeskanzler Schröder zum Abschluss der Gespräche. So kann man es auch formulieren. Trotzdem konnte Schröder eine positive Beschäftigungsbilanz vorlegen, denn die Wachstumsprognosen sind gut, und bedingt durch die demografische Entwicklung ist ein weiterer Rückgang der Arbeitslosenzahlen zu erwarten. Dass die Wachstumsprognosen „außerordentlich positiv“ aussehen, sei „auch ein Erfolg des Bündnisses“, meinte Schröder. Die „beschäftigungsfördernde Tarifpolitik“ mit moderaten Abschlüssen wäre wohl nicht „ohne das Bündnis gelaufen“.

Schröder verwies darauf, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Arbeitslosen um eine Millionen gesunken sei. Berufsausbildung und Qualifizierung seien die künftigen „Schlüsselthemen“.

In einer gemeinsamen Erklärung setzten die Gesprächspartner der Bündnisrunde dazu gestern Schwerpunkte. Erstmals wurde betont, dass die Beschäftigungsmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer verbessert werden müssten. Dies sei „ein Paradigmenwechsel“ auch für die Unternehmen, erklärte DIHT-Chef Braun. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des damit verbundenen Rückgangs der Beschäftigtenzahlen würde die Qualifizierung älterer Arbeitnehmer künftig auch für die Unternehmen zu einem Hauptthema werden.

In der gemeinsamen Erklärung vereinbarten die Gesprächspartner im Bündnis für Arbeit, dass sich die Bundesanstalt für Arbeit künftig vorübergehend an den Weiterbildungskosten für Beschäftigte, die älter als 50 Jahre sind und in kleinen Unternehmen arbeiten, beteiligen solle. In der Erklärung forderten die Gesprächspartner zudem, dass die Tarifvertragsparteien künftig auch Modelle entwickeln sollen, die es erlauben, Zeitguthaben für die Weiterbildung zu investieren.

Auch Jugendliche ohne Schulabschluss müssten intensiver gefördert werden, vereinbarten die Bündnispartner. Braun verwies darauf, dass die Industrie- und Handelskammern einen Katalog mit verschiedenen „Einfachberufen“ aufgestellt hätten. Diese Berufe erfordern keine dreijährige Ausbildung, sondern sind sehr viel schneller erlernbar.

In der gemeinsamen Erklärung verwiesen die Bündnispartner gestern auch darauf, dass sich die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt weiter verbessert habe. Zum ersten Mal übersteige die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen bundesweit die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber – allerdings mit erheblichen regionalen Unterschieden.

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