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Zutrauliche Pfennigfüchse

■ Kritik des Rechnungshofes am Senat fällt in diesem Jahr milde aus

Irgendwo zwischen Kostenprüfung und Erbsenzählerei ist seine Arbeit angesiedelt: Wenn der Rechnungshof seinen Jahresbericht vorstellt, dann ist das mal kleinkariert, mal erhellend. Die monierte Züchtung von Öko-Weihnachtsbäumen auf dem Staatsgut Alt-Erfrade gehört zur ersten Kategorie, die Kritik an Schlamperei bei öffentlichen Ausschreibungen zur zweiten. Die Stadt könnte 20 bis 30 Millionen Mark mehr in der Kasse haben, wenn sie alle Vorschläge des Rechnungshofs umsetzen würde, schätzt der Präsident des Gremiums, Rudolf Dieckmann.

Die Senatsschelte durch die amtlichen PfennigfuchserInnen fällt in diesem Jahr auffällig sanft aus. Keine Behörde sei „gegenüber unseren Vorschlägen resistent“, sagt Dieckmann. Der Ruf nach Privatisierung staatlicher Aufgaben, wie ihn der Rechnungshof ansonsten regelmäßig ausstößt, fehlt diesmal, auch die Einzelbeispiele von öffentlicher Verschwendung sind nur dünn gesät. Die Hamburger Flächen auf dem Staatsgut Alt-Erfrade sollte man verkaufen, und bei der S-Bahn-Station Allermöhe habe man viel mehr Fahrradstellplätze angelegt als nötig.

Was den Rechnungshof in diesem Jahr vor allem stört, ist der Umgang mit der öffentlichen Vergabe von Aufträgen. Hier erkennt Dieckmann „gravierende Verstöße gegen die Grundsätze des Wettbewerbs“. Da werden Aufträge an AnbieterInnen vergeben, weil „die immer schon den Zuschlag bekommen haben“. Vergleiche, ob es nicht preisgünstigere BewerberInnen gäbe, unterbleiben. Manchmal, so kritisierte Dieckmann, sei nicht einmal festzustellen, ob die bestellte und bezahlte Ware überhaupt geliefert worden sei. Hier empfiehlt der Rechnungshüter „Nachschulung“ der Behörden. Denn oft handele es sich gar nicht um bösen Willen oder gar um Anflüge von Korruption, sondern vielmehr um „Überforderung“ einzelner SachbearbeiterInnen.

Auch wenn die CDU in Gestalt von Haushaltspolitiker Michael Freytag in ihrer Reaktion überhaupt nicht überraschend „einen an vielen Stellen zu sorglosen Umgang der Verwaltung mit Steuergeldern“ erkennt, lässt Dieckmann im Wahljahr Milde mit dem Senat walten: „Jede Bürokratie mit so vielen Mitarbeitern produziert nun einmal auch Fehler.“ Peter Ahrens

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