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Tapfere Sinnsoldaten

Hochleistungskommunikation auf allen Kanälen: Roger Donaldsons Film „Thirteen Days“ ist eine hübsch illustrierte und pathetisch eingefärbte Geschichtsstunde über die Kubakrise im Oktober 1962

von BIRGIT GLOMBITZA

Die Welt ist nicht untergegangen. Auch wenn der Himmel blitzt wie ein überdimensionaler Fotokopierer und das Spektakel des Anfangs dem Atompilz gehört. Doch die Feuerfarben, durch die ein Flugzeug gleich in der nächsten Einstellung schwebt, sind die des Sonnenaufgangs. Ein neuer Tag auf einer Erde, die noch ganz die alte ist. Die „Was wäre, wenn . . .“-Spekulation über einen Atomkrieg löst sich in bonbonbunten Weltfrieden auf.

Roger Donaldsons „Thirteen Days“ erklärt uns, warum wir noch leben und der Erdball nicht durch einen dritten Weltkrieg aus den Angeln gehoben wurde. Vor allem, wem wir diese Rettung während der Kubakrise im Oktober 1962 zu verdanken haben. Männern wie JFK (Bruce Greenwood) und seinem Bruder Robert (Steven Culp). Oder dem JFK-Berater Kenneth O’Donnell (Kevin Costner), von dem wir vorher keinen Blassen hatten.

Über die Effektsicherheit der historischen Besetzung brauchte sich Donaldson keine Sorgen zu machen. Schließlich war JFK das erste Exemplar eines für die Medien gemachten Präsidenten. Den Wahlsieg hatte er den TV-Duellen gegen Nixon zu verdanken und dem Talent, sein eigenes Image sorgfältig zu überwachen. Nicht zufällig fielen die Anfänge des Direct Cinema in jene Vorwahlkämpfe und bescherten später auch dem Mainstream-Kino eine engagierte Handkamera, in deren Sucher ein Protagonist mit scheinbar unbegrenzter Bewegungsfreiheit hastig ins Bild gerückt wurde. Eine Tradition, der sich auch „Thirteen Days“ verpflichtet fühlen mag, wenn er sich nicht einfach unbekümmert bei Stones „JFK“ und sämtlichen semidokumentarischen „Faction“-Filmen bedient.

Schließlich soll es ja eine illustrierte Geschichtsstunde werden, die trotz bekannten Ausgangs noch fesseln möchte und auf die pathetischen und großspurigen Gesten des „that’s how it was“ nicht verzichten kann. Ein Vorgehen, bei dem man sich eine Menge Peinlichkeiten einhandeln kann, wirken doch bei so viel „aufklärerischer“ Wucht alle Auslassungen und Stereotypisierungen umso dümmer, wenn nicht gar reaktionär.

Und so rutscht „Thirteen Days“ immer mit einem Bein ab in unfreiwillige Satire: Da tragen Kubaner Bärte, grunzen, wenn sie sprechen, und kennen keinen Gott. Wenn sie im Schussfeuer sterben, bleibt von ihnen nichts übrig als ein versifftes Castro-Käppi. Dagegen geht ein einzelner US-Pilot als tapferer Sinnsoldat ins Gefecht. Vorher redet er noch mit dem Präsidentenberater wie mit einem Beichtvater. Dann schickt er ein Gebet zum Himmel. Ein einfaches ideologisches Schema, das Donaldson hartnäckig durchzieht. So sind JFK und seine Vertrauten nicht nur unangefochtene Anwälte des Friedens, sondern auch die einer Art Hochleistungskommunikation in sämtlichen Gremien.

Vertreter südamerikanischer Militärdikaturen dagegen werden als halbzivilisierte Raubeine vorgestellt, die sich aber mit diplomatischem Geschick durchaus an die Grundmanieren des Konferierens heranführen lassen und sogar auf Redezeit verzichten, um die Sache den Profis zu überlassen. Die Vertreter der USA erweisen sich als subtile Rhetoriker, die russische Botschafter im Polit-Highnoon einschüchtern. Bis sie sich trollen, bis Kennedys diplomatische Gewandtheit, aber auch die Abschreckungsidiotie des Kalten Krieges Recht bekommt.

Kaum ein Wort von den US-amerikanischen Sabotageakten auf Kuba, von den kilometerweit abgefackelten Plantagen und den Morddrohungen gegen Castro. Die russischen Raketen, die binnen zehn Minuten die amerikanische Ostküste erreichen können, tauchen so plötzlich wie Überraschungseier auf der Insel auf. Eine ideologisch besonders durchsichtige Maßnahme ist jedoch der dramaturgische Fokus auf den Kennedy-Berater O’Donnell. Ein uninspirierter Versuch, den kleinen Mann von der Straße ins Oval Office und zwischen die internen Kalten-Kriegs-Fronten zu bugsieren. Wenn O’Donnell abends nach Hause kommt, nachdem er sich wieder einmal abgerackert hat, den Weltkrieg abzuwenden, und seiner rehäugigen Frau ein „Ich bin sicher, wir kriegen das hin“ über die Pommesschale schickt, demonstriert das Drehbuch einen schon rührenden Glauben an das Prinzip der Volksvertretung. O’Donnell wird sogar zur Lenorstimme des Präsidenten hochstilisiert. Er braucht nur seine Brille zurechtzurücken, und JFK weiß, ob er auf dem richtigen Weg ist oder ob er besser mal seine Schnürsenkel zubindet.

In einem Interview mit Variety meinte Costner, er hätte schon damals sein Leben gegeben, um seinen Monolog auf die verlorene Unschuld der Demokratie im Gerichtssaal von „JFK“ zu halten. Ihm seien die Tränen gekommen, als er hingerissen vom eigenen Spiel der „Geschichte ins Auge blickte“. Costner will der leibhaftige Glaube an diesen Präsidentenmythos sein und stellvertretend alle nationalen Traumata durchleiden. Wohl deswegen hört Donaldsons J.-F.-Kennedy-Figur kaum einem so genau zu wie ihm.

„Thirteen Days“ ist ein Film, der sich in Besserwissereien und Großspurigkeit sonnen kann, weil er den Ausgang der Kuba-krise als seinen unhinterfragbaren Rechtgeber installiert hat. Genau wie seine Hauptfigur O’Donnell, die aus diesem Vorabwissen problemlos ihre Weisheiten ableitet. „Sie mögen Fehler machen, aber Sie sind nicht schwach, niemand wird sich uns in den Weg stellen“, ermutigt Costner einmal den zerknirschten Präsidenten. Der nickt dankbar, geht zum Fenster, vor dem nach nächtelangen Männer- und Brüdergesprächen die Sonne wieder einmal aufgeht.

„Thirteen Days“. Regie: Roger Donaldson. Mit Kevin Costner, Bruce Greenwood u. a. USA 2000, 145 Min.

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