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Traum vom Touristenparadies Jolo

Der neue philippinische Tourismusminister Richard Gordon will, dass Besucher bald freiwillig auf die Geiselinsel Jolo kommen. Eine Kultur des Tourismus, die er autoritär umsetzen will, soll die Inseln befrieden und legale Jobs schaffen

von SVEN HANSEN

Auf den Philippinen ist die Zahl ausländischer Touristen im vergangenen Jahr zurückgegangen. Um mindestens zehn Prozent, von zwei Millionen auf 1,8 Millionen Besucher, schätzt der neue Tourismusminister Richard Gordon bei einem taz -Gespräch. Kein Wunder. Die Entführung von 21 Touristen und Hotelmitarbeitern auf die südliche Insel Jolo bescherte dem südostasiatischen Land das Image eines gesetzlosen Archipels. Das Schicksal der von der islamistischen Rebellengruppe Abu Sayyaf Entführten einschließlich der deutschen Familie Wallert dominierte von Ostern bis September letzten Jahres die Schlagzeilen.

Der 55-jährige „Dick“ Gordon, wie er dem einheimischem Brauch entsprechend beim Spitznamen genannt wird, wurde Ende Januar von der neuen Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo zum Tourismusminister ernannt. Zuvor hatte ein von Militärs, Geschäftsleuten und der Kirche gestützter friedlicher Volksaufstand den wegen eines Korruptionsskandals diskreditierten Präsidenten Joseph Estrada gestürzt. Estrada war der Erzfeind Gordons. Nun will Gordon kraft seines Amtes „eine Kultur des Tourismus“ auf den Philippinen schaffen. „Meine Landsleute müssen verstehen, dass der Tourismus für sie Jobs bedeutet“, erklärt er. Das fordere „eine gewisse Disziplin. Zum Beispiel, dass kein Müll auf die Straße geworfen und unser historisches Erbe bewahrt wird.“ Würden die Besucher merken, dass sich die Filipinos selbst um ihr Land kümmerten, kämen auch mehr Touristen ins Land, meint der Tourismusminister mit Überzeugung. Gordons Vorbild ist New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani und dessen Politik der „zero tolerance“. Mit seinem harten Vorgehen gegen vermeintliche kleine Nachlässigkeiten habe Guiliani New Yorks Image deutlich verbessert, betont Gordon.

In den Gesprächsangeboten der neuen Regierung an die muslimischen Rebellen von der „Moro Islamic Liberation Front“ (MILF) sieht Gordon den richtigen Weg zur Befriedung. Vergangenes Jahr sei er selbst als führendes Mitglied des philippinischen Roten Kreuzes an der Freilassung von Entführungsopfern auf der Insel Basilan beteiligt gewesen. Die Gesprächsangebote der Regierung würden nicht für die Kidnappertruppe Abu Sayyaf gelten, die letztesJahr die Touristen nach Jolo verschleppt hatte und in deren Händen sich noch immer der US-Amerikaner Jeffrey Schilling befindet. „Bei Abu Sayyaf handelt es sich um Banditen, gegen die der Kampf weitergeht“, erklärt Gordon kategorisch. Als die Gruppe ihn neulich zu Gesprächen über Schilling einlud, lehnte er ab. „Für die ist allein die Polizei zuständig.“

Zwar seien schon früher keine Touristen freiwillig auf die Insel Jolo gereist, vor deren Besuch ausländische Botschaften schon seit Jahren warnen, aber eines Tages sollte der Tourismus dort zur Entwicklung beitragen. Mit dem benachbarten Tawi-Tawi-Archipel solle diese Entwicklung angestoßen werden. Dort gebe es viele Schildkröten und Vögel und großes Interesse von Naturfreunden. Die Besucher könnten das Gebiet zunächst nur auf Marineschiffen besuchen. Damit will Gordon beweisen, „dass mit Tourismus Geld auf legale Weise verdient werden kann“. Wie das angesichts des fortdauernden Krieges gegen Abu Sayyaf zu machen sei, vermag er allerdings nicht genau zu sagen.

Mit Gordon übernahm ein typischer Vertreter elitärer Familienclans das Tourismusressort. Olongapo ist die Stadt des Gordon-Clans. Sie liegt direkt neben Subic Bay, bis 1992 der größte US-Militärstützpunkt außerhalb der USA. Von hier wurden die US-Truppen im Korea- und Vietnam-Krieg versorgt. Der strategisch gelegene Tiefsee- und Flughafen Subic Bay, wo US-Marines den Dschungelkampf trainierten, war der wichtigste Stützpunkt der 7. US-Flotte. Olongapo war deren Puff. Im US-Militärjargon wurde die Stadt beschönigend „rest & recreation area“ genannt. Als Bürgermeister hatte Gordon sich mit dem Sexbusiness arrangiert, wenn er nicht sogar davon profitierte.

Als der philippinische Senat 1991 mit der Stimme des damaligen Senators Estrada für die Schließung des vom Vulkan Pinatubo beschädigten US-Stützpunktes stimmte, war Gordon dagegen. Er fürchtete einen Machtverlust, doch fügte er sich schnell, als er erkannte, dass die Umwandlung von Subic zur Freihandels- und Exportproduktionszone eine noch viel stärkere Machtbasis sein könnte. Mit der Aussicht auf neue Jobs mobilisierte Gordon ein Heer von Freiwilligen, die den Stützpunkt vor Verfall und Plünderung bewahrten. 1992 wurde Gordon Chef der neuen Zone. Ihm gelang es, dort große Firmen wie den US-Paketzusteller Federal Express und den taiwanischen Computerhersteller Acer anzusiedeln. 1996 hielten gar die Staatschefs der asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) ihren Gipfel in Subic ab.

Gordon liebäugelte sogar mit einer Präsidentschaftskandidatur, ließ sich davon aber mit dem Versprechen auf eine weitere sechsjährige Amtszeit als Subic-Chef abbringen. Als Estrada Präsident wurde, feuerte er in seiner allerersten Amtshandlung den potenziellen Konkurrenten vom Subic-Chefposten. Gordon ließ darauf seinen Amtssitz von seinen Anhängern verbarrikadieren und gab erst nach zweimonatiger Belagerung und einer heftigen Straßenschlacht auf.

Da Gordon von der neuen Präsidentin Arroyo nicht wieder seinen alten Posten als Subic-Chef bekam, kämpfen seine Anhänger jetzt gegen seinen noch von Estrada eingesetzten Nachfolger. Anfang März blockierten sie sogar für zwei Tage die Freihandelszone, was Proteste dort Beschäftigter auslöste. Doch auch Gordon stieß in seinem neuen Job als Tourismusminister auf unerwarteten Widerstand. Mitte März traten spontan einige hundert Mitarbeiter seines Ministeriums in einen Warnstreik. Sie werfen ihrem neuen Chef einen „inhumanen und diktatorischen Führungsstil“ vor. Gordon hatte sie zuvor aufgefordert, im Sinne der von ihm propagierten „Kultur des Tourismus“ und einer Politik der „zero tolerance“ die Zigarettenkippen auf dem Ministeriumsgelände einzusammeln.

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