: Aus Wind wird mehr
Greenpeace hält Offshore-Windparks auf Nord- und Ostsee für so unschädlich, dass es falsch wäre, sie nicht zu bauen ■ Von Nicole Paul
Die Zukunft der Windenergie liegt auf dem Meer. Das propagieren die Windkraftbranche, das schleswig-holsteinische Energie-ministerium und Greenpeace. Da geeignete Standorte an Land vor allem im nördlichsten Bundesland langsam knapp werden (siehe unten), soll die bisherige wirtschaftliche Erfolgsgeschichte auf Nord- und Ostsee „offshore“, kilometerweit vor der Küste, fortgeschrieben werden. Die Aussichten auf Arbeitsplätze und Exportaufträge sind verlockend. Der Öko-Bonus für das Land ebenfalls.
Greenpeace hat die Umweltauswirkungen von Windkraftanlagen auf dem Meer mit denen konventioneller Energieerzeugung vergleichen lassen. Ergebnis: Offshore-Windkraftnutzung stellt zwar einen Eingriff in den Naturhaushalt dar, muss jedoch ins Verhältnis gesetzt werden zu den negativen Effekten herkömmlicher Energieerzeugung mit Kohle, Öl und Gas. Diese treibt die Klimakatastrophe voran und beeinträchtigt die Meere durch Bohrplattformen und Tankerunfälle.
Vor diesem Hintergrund sei es unverantwortlich, das gigantische europäische Offshore-Windpotenzial nicht zu nutzen. Nach der Greenpeace-Studie vom Oktober 2000 reicht dieses Potenzial in Deutschland für 55 Prozent des Stromverbrauchs, in Dänemark könnte die benötigte Menge sogar gleich 17-fach erzeugt werden.
Nicht alle Umweltverbände beurteilen die Offshore-Technologie so positiv wie Greenpeace. Der Nabu Schleswig-Holstein befürchtet, dass damit eine neue Großtechnik installiert werden soll, bevor ihre Auswirkungen auf die Umwelt und ihr Stellenwert in der Energieversorgung fundiert untersucht worden sind. Die Schutzstation Wattenmeer moniert vor allem die Kabeltrassen, die quer durch den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer nach Brunsbüttel führen würden.
Hans-Ulrich Rösner vom Projektbüro Wattenmeer des WWF Deutschland weist darauf hin, dass „die Umstellung auf erneuerbare Energien bei auch nur annähernd gleichbleibenden Ansprüchen der Gesellschaft“ sehr viel Fläche erfordere. Die Frage, wo diese Flächen auf dem Meer liegen sollen, könne von Seiten des Naturschutzes derzeit nicht beantwortet werden, der Forschungsbedarf dafür sei noch viel zu groß.
Grundlagenforschung, um Vorranggebiete auf dem Meer für Windkraftnutzung ausweisen zu können, fordern auch alle anderen Umwelt- und Naturschutzverbände. Zwei staatliche Programme sollen die Wissenslücken füllen: Das Bundesumweltministerium hat zusammen mit dem Umweltbundesamt ein zweijähriges Forschungsprogramm gestartet, welches das Wissen zu möglichen Belastungen der Meeresumwelt durch Windkraftanlagen sammeln und neue Daten erheben soll. Zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium will das Umweltministerium überdies 2003 ein „Offshore-Windtestfeld“ anlegen, in dem Windräder zertifiziert werden können.
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