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AbseitsKommerz viel gut

■ Bezahlfernsehen ist toll: Es macht Fußball wieder zum sozialen Event

Ein paar hundert Männerkörper stehen dicht gedrängt. Die Luft ist schwanger von Bier und derben Sprüchen. Alle starren gebannt aufs Spielfeld – beziehungsweise auf den Leinwand-Ausschnitt über dem Meer von Köpfen. Leinwand? Ja, wir sind nicht im Stadion. Wir sind in Hegarty's Irish Pub.

Es ist viertel vor neun in Europa. Die Fußball-Größen spielen Champions-League und überall schauen sie zu: In den Bars von Madrid, London und Marseille trifft man sich schon lange zum gemeinsamen Fachsimpeln, Zittern und Grölen. Die Bremer dagegen saßen bisher autistisch auf dem Sofa und stopften Erdnuss-Flips in sich rein. In den Halbzeit-Nachrichten ließen sie Politiker über sich ergehen, die weinerlich öffentlich-rechtlichen Fernsehfußball reklamierten.

Schluss damit! Ausgerechnet Leo Kirchs Premiere World hat Fußball wieder zum sozialen Event gemacht. Wer kauft schon wegen ein paar Fußballspielen ein teures Abo? Manchester gegen Bayern hat einen deutsch-britischen Crowd im Pub versammelt, der Fußball wieder als das erlebt, was es ursprünglich ist: ein Massenphänomen. „Setz nach!“, „Schick ihn!“, „Hau ihn um!“ – die Kommentare sind die gleichen wie im Stadion. „Is ja wie Südkurve“, witzelt einer, der offensichtlich noch nie im Weserstadion war. Groß ist das Gelächter über die junge Frau, die sich durch die verschwitzten Leiber schlängelt mit den Worten: „Ich hätt' nicht eine Woche weiter sein dürfen.“

Derweil gehen Orders im Stille-Post-Prinzip zum Tresen; das Geld wird hinterher gereicht. Als kurz vor Schluss doch noch das Bayern-Tor fällt, mischen sich Jubel und Entsetzen. Wie im Stadion, bloß ohne Zäune dazwischen. Und ohne Fernseh-Versorgungs-fälle wie Gudnabndallerseits-Heribert. Gibt's noch was besseres? Klar, heißt Pay-per-View. Wenn erst jedes Spiel wie in Spanien zwölf Mark kostet, ist auch für die letzte Couch-Potatoe der Weg ins Stadion nicht mehr weit . . . jank

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