KONFLIKT ZWISCHEN DEN USA UND CHINA IST MEHR ALS EINE LUFTNUMMER: Weltpoltik ohne Partner
Es ist nicht neu, dass Peking und Washington im öffentlichen Clinch liegen. Die Zeit der ungetrübten Harmonie war spätestens mit dem Ende des Kalten Kriegs und dem Tiananmen-Massaker in Peking vorbei. Trotzdem haben sich die Staatsoberhäupter beider Länder in den letzten elf Jahren noch nie so unmittelbar angefeindet wie in den letzten Tagen.
Der Anlass erscheint nichtig: Ein amerikanisches und ein chinesisches Militärflugzeug sind vor der Küste Chinas zusammengestoßen. Das Risiko war beiden Seiten bekannt. In den vergangenen zwei Jahren kam es bereits viermal zu ähnlichen Luftraumbegegnungen, die nur mit Glück unfallfrei blieben. Auch Diplomaten hatten den möglichen Zusammenstoß vorausgesagt und bilaterale Absprachen getroffen, an die sich nun keiner hält. Woher also kommt die Aufregung der Präsidenten?
Es ist die Macht der eigenen Worte. US-Präsident George Bush hatte bereits im Wahlkampf versprochen, die „strategische Partnerschaft“ aufzukündigen, die sein Vorgänger Bill Clinton im Jahr 1997 mit dem chinesischen Präsidenten Jiang Zemin vereinbart hatte. Bush erfüllte dieses Versprechen am Tag seiner Amtsübernahme, als er China nicht mehr einen Partner, sondern einen Wettbewerber nannte. Seitdem behandelt Washington Peking ruppiger als zuvor: Es verkündet neue Raketenabwehrpläne – ohne mit China die strategischen Folgen zu besprechen. Es kündigt Waffenlieferungen nach Taiwan an – ohne China in die Pläne einzuweihen. Es bricht die Gespräche mit Nordkorea ab – ohne mit China die Entspannungsperspektiven auf der koreanischen Halbinsel zu diskutieren. Bush fehlen ganz einfach die Worte für China – weil er auch ohne Partner auskommt.
Diese Ignoranz empfindet Jiang Zemin inzwischen als blanke Arroganz. Nach dem Tiananmen-Massaker stand die Aussöhnung mit den USA stets im Mittelpunkt der chinesischen Außenpolitik. Sie entspricht den Interessen der Volksrepublik: Sie sieht in den USA den größten Exportmarkt der Zukunft; zudem hat China mit Japan und Russland zwei mächtige Nachbarn, mit denen es traditionell verfeindet ist und die nur im Ausgleich mit den USA gebändigt werden können.
Doch Jiangs Politik ist derzeit offensichtlich erfolglos. Ihm scheint das spät, aber plötzlich klar zu werden. Wie sonst könnte er mit seinen Forderung, die USA sollten sich entschuldigen, elf Jahre der Annäherung aufs Spiel setzten – für einen vermissten Piloten? Vermutlich erlag Jiang zuvor der Selbsttäuschung, Washington als Partner unentbehrlich zu sein. Aber auch die Europäer müssen ja derzeit entdecken, dass sie ihre Bedeutung für die USA bisher überschätzt haben. GEORG BLUME
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