: Summertime für Akrobaten
■ Der Sänger und Gitarrist Peter Fessler gilt als Stimmvirtuose. Bei seinem Kito-Konzert zeigte er sein ganzes Können erst spät
Dieser Musiker hat eine der längsten Berufsbezeichnungen der Welt. „Ich bin ein classical-jazzy-smooth-pop-latin-funky-european-crossover-mainstream-son gwriting-and-singing-Artist from Deutschland mit Scatlizenz“, erklärte Peter Fessler in einem Interview. Auch in anderer Hinsicht hat der 1959 geborene Kölner, der am Wochenende solo im Kito auftrat, das Zeug zum Dauerläufer. Mit dem Song „Trio Rio“ der gleichnamigen One-Hit-Band ist seine Stimme noch heute gelegentlich im Radio zu hören. Doch seitdem hat sich Peter Fessler vom wortekauenden Popsänger zum Jazzvokalisten weiterentwickelt. Auftritte mit Al Jarreau und Bobby McFerrin sind da nicht bloß Name-Dropping in der Biographie des Sängers und Gitarristen, sondern verraten auch etwas über die musikalischen Verwandtschaften.
Bloß mit seiner Konzertgitarre in der Hand nimmt Peter Fessler auf der Bühne des gut besuchten Kito Platz. Möglicherweise haben sich die BesucherInnen an seinen letzten Auftritt vor zwei Jahren erinnert, der laut Fessler irgendwann in der Nacht stattfand. Oder sie hat sein Ruf als Stimmvirtuose auf den holzverkleideten Dachboden gelockt. Doch mit seiner Virtuosität hält sich Fessler im ersten Set noch fast zurück. In eigenen und geliehenen Songs lebt er seine Vorliebe für den Bossanova und namentlich für die Kompositionen Antonio Carlos Jobims aus. Nur gelegentlich mischt er die Easy-Listening-Atmosphäre dieses Konzertteils mit jaulend-quäkenden Falsett-Einlagen auf, die nicht immer eine gedämpfte Trompete imitieren.
Das ist smooth, das ist locker und gefällt. Aber trotz einiger betörender Oktavsprünge und einzelner Koloraturen bleibt noch unklar, warum manche Kritiker von Fessler als Ausnahmeerscheinung sprechen. Erst im zweiten Set offenbart der Sänger und Gittarrist, der inzwischen neun Platten aufgenommen hat, dass ein Jazzkonzert eine virtuose Zirkusnummer sein kann. Von der Stimmlage näher beim Vokalakrobaten Jarreau als bei dem Kollegen McFerrin, variiert er jetzt die musikalische Begleitung etwas mehr. Und vor allem würzt er die eigenen Songs und interpretierten Standards mit hals- oder besser zungenbrecherischen Stimmmodulationen: Das Drum-, Kontrabass- und Trompetensolo sind ihm die Spielwiese; die unverwüstliche „Summertime“ und ein anschließendendes Solo ohne Gitarre macht Fessler in seinem Konzert mit barocken Koloratur-Stückchen, Mouth-Percussion zu zwei schwer vergesslichen Höhepunkten. ck
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