: Matratzenphänomen
Hamburger Beauty Tag informiert über Fettabsaugen und Permanent-Make-up ■ Von Michaela Soyer
Jasmin K. (...) lehnt sich auf dem silbernen Kosmetikstuhl zurück. Die 20-Jährige läßt sich anlässlich des Hamburger Beauty Tages Permanent-Make-up „einpigmentieren“. „Ihre Lippenfarbe ist viel zu kräftig und richtige Augenbrauen hatte sie wahrscheinlich niemals“, weiß die Kosmetikerin und „Meisterin zeitloser Schönheit“, Beatrix Esser. Vor laufenden Kameras zückt sie eine Art Zahnarztbohrer, der dem Auftragen von Farbe dient. Ein leises Summen liegt in der Luft. Auch wenn es unangenehme Erinnerungen an den letzten Zahnarztbesuch wachruft: „Permanent-Make-up macht einfach schön“, sei nicht nur was für 20-Jährige, „sondern überzeugt auch Frauen, die ihren goldenen Herbst formvollendet genießen wollen.“
Der zweite Teil der Beauty-Veranstaltung hat mehr mit Deformierung als mit Formvollendung zu tun. Dr. Clemens Schreckenberger, Facharzt für plastische Chi-rurgie, referiert über Cellulite (igitt!) und Fettabsaugen (würg!). Zeigt Bilder von Männern mit Brüsten und übergewichtigen Frauen, denen bis zu 7,9 Liter Fett abgesaugt wurde. „Man kann einfach nicht erwarten, das jemand so was akzeptiert“, kommentiert der smarte Doktor.
Unter den Zuhörerinnen macht sich die aufsteigende Übelkeit durch leises Stöhnen Luft. Schreckenberger spricht von Cellulite Stufe drei – dem Matratzenphänomen – und Bodybuildern, denen er wegen Anabolika die Brustdrüsen entfernen musste. Nachdem der 42-Jährige seine Horror-Show beendet hat, kommt er zu dem Schluss: „Übergewicht darf nicht nur durch Fettabsaugen behandelt werden.“
Außerdem gebe es eine Altersgrenze. Über 60 müsse man mit seinem Fett leben. Missfallen macht sich unter den älteren Frauen breit. Der Chirurg besänftigt: „Es gibt ja ein reelles und ein körperliches Alter.“ Bei guter Verfassung dürfe auch noch eine 65-Jährige unters Messer. Sechstausend Mark muss sie bei Schreckenberger für den Klassiker „Reithose“ bezahlen.
Die guten Ratschläge – kein Alkohol, kein Nikotin, keine Schokolade, aber „Birnen, Melonen und Esskastanien gehören auf den Einkaufszettel schönheitsbewusster Frauen“ – werden beim anschließenden Lunch wieder vergessen. Das Buffet besteht aus Mousse au Chocolat, Creme Brulée, Kuchen und Sahnesoßen. Saugt man später alles wieder ab.
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