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Börsencrash auf Knopfdruck

Wenn man beim Monopoly die falsche Augenzahl würfelt, kann man ein Vermögen verlieren. Bei der Londoner Börse reicht ein Tippfehler. Das elektronische Handelssystem schnappt zu. So kam es am Montag beinahe zum Desaster

aus London RALF SOTSCHECK

Der Tag war ruhig, der Aktienhandel verlief gemächlich, der Index FTSE 100, der von der Börse und der Financial Times geführt wird, bewegte sich kaum. Dann das: Ein einzelner Broker vertippt sich und verkauft auf einen Schlag versehentlich Aktien eines Kunden im Wert von fast 300 Millionen Pfund Sterling, darunter Wertpapiere der größten britischen Unternehmen wie Vodafone, British Telecom, Barclays und Lloyds. Sekunden später schließt die Börse. Für eine Korrektur keine Zeit. Der FTSE 100 saust um mehr als 200 Punkte nach unten. So wurde der Montag zu einem der verlustreichsten Börsentage in der Geschichte der Londoner Börse. Vorübergehend ging der Wert britischer Unternehmen um rund 40 Milliarden Pfund in den Keller.

Das geschieht normalerweise nur bei einem Bankrott eines Großunternehmens oder der Zahlungsunfähigkeit eines Kleinstaates. Diesmal hatte jemand lediglich den falschen Knopf gedrückt. Den Gerüchten nach war es die Investmentfirma Lehman Brothers. Doch die verweigerte jede Auskunft.

Ein Sprecher der Börse sagte, man werde die Sache zwar untersuchen, aber eingreifen müsse man erst bei einer Schwankung eines Einzelwertes von 5 Prozent – der Deal führte jedoch nur zu einem Kursverfall von 2 Prozent. Gestern früh begann der FTSE 100 knapp 130 Punkte höher. Wer immer danebentippte, hat seiner Firma einen Verlust von etwa 6 Millionen Pfund beschert.

Wie ein kleiner Fehler solche Folgen haben kann? Vor knapp fünf Jahren hat die Londoner Börse den elektronischen Aktienhandel eingeführt, der von Anfang an nicht funktionierte. Er ermöglicht plötzliche Kursschwankungen in Milliardenhöhe. Großbanken und andere Finanzinstitutionen haben das immer wieder zu ihrem Vorteil ausgenützt. Die Manipulationen gingen stets zu Lasten kleinerer Finanzunternehmen und privater Investoren. Um das zu verhindern, gilt ab Ende November ein neues Gesetz. Es räumt der Börsenaufsicht weitgehende Vollmachten ein, um Marktmissbrauch zu unterbinden.

Ein Problem des elektronischen Systems ist, dass es nur ab einem bestimmten Handelsvolumen akkurat arbeitet. Bei geringen Aktivitäten geraten die Aktienkurse durcheinander. Deshalb hat die Londoner Börse im vergangenen Jahr eine Auktion eingeführt: In den zehn Minuten nach Börsenschluss um 16.30 Uhr können Käufer und Verkäufer Preise benennen, bei denen sie zu einem Handel bereit wären. Das elektronische System errechnet daraus den Preis, bei dem der größte Umsatz gemacht wird. Dieser Preis lag am Montag aufgrund des falschen Knopfdrucks so niedrig, dass die Londoner Börse zitterte.

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