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Adrett gestrickte Reichstagsmodelle

■ Kontakt zum Kommerz: 3. Kunst-in-der-Börse-Aktion an der Hochschule für Bildende Künste präsentiert Werke ausgewählter Meisterstudenten

Auf dem Börsenboden liegen drei übergroße Hände, aber sie strecken sich nicht nach Geld aus. „Geld ist nicht das Entscheidende bei dieser Aktion“, sagt Dieter Heering, der Präsident des Lions-Clubs Hamburg-Hammaburg, „sonst könnte man eine Tombola machen. Es geht um die Förderung der Künstler durch den Kontakt zum Kommerz.“ Und den proben für drei Tage nun fünfzehn Meisterstudenten der Hochschule für Bildende Künste Hamburg in dem schon zum dritten Mal durchgeführten Projekt Kunst in der Börse.

Die klassizistische Halle von 1841 scheint diesmal besonders gelungen bespielt. Das liegt auch an den lebensgroßen, gezeichneten Figuren der Nora Sdun. Auf der Suche nach der Wahrheit des Porträts sind auch die Arbeiten von Annika Langosch und Mette Thiessen sowie die Figuren aus Knetmasse von Katia Kelm.

Der künstlichen Rekonstruktion von Landschaft sind Dörte Hausbeck und Annete Kelm auf der Spur; der gebauten Umgebung Michael Pfisterer mit seinen schwarzweißen Architekturfotos und Anette Streyl mit ihren gestrickten Modellen berühmter Bauten wie dem Reichstag.

Die Arbeiten kämen nicht aus einer Hochschule, würden sie nicht Wahrnehmungsmuster hinterfragen. Die Diasammlung von Sebas-tian Zarius besteht aus Plastiktütenausschnitten, in Diarähmchen gefasst. Mit solchen Vorlagen erstellt er auch Abzüge, die eine Sternenhimmel-artige Fotowand ergeben. Heinz Spenkuch, von seinen Nachbarn ob seiner dreckigen Fußmatte getadelt, begann das Phänomen dort angebrachter Texte zu interessieren und er kommentierte Texttreterei mit seiner eigenen Fußmattendruckerei.

Mit Paradoxien verblüfft der Koreaner Juhee Lee und stellt die Betrachter vor Wahrnehmungsfragen wie diese: Wieso sehe ich mich selbst, wenn ich in ein Fernrohr schaue, warum leuchtet die Neonröhre, die in einen Fernseher gesteckt wird nur auf dem Bildschirm, ist das Licht jener Schreibtischlampe vielleicht nur gezeichnet und wie verhält sich der Raum hinter dem Spiegel in Wirklichkeit? Das ist nicht zu beschreiben, das muss unmittelbar gesehen werden. Und so lohnt, trotz zahlreicher Kunstaktivitäten in diesen Tagen, diese kurze Ausstellung einen Besuch. Hajo Schiff

Kunst in der Börse, Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1; Freitag + Samstag 10–18, Sonntag 10–16 Uhr; Katalog 20 Mark

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